Vira Trappl: Technikerin aus Leidenschaft, Feministin aus Notwendigkeit
Ein Portrait von Laura Kisser
„Flexibilität, das ist Frauenpower“, meint Vira Trappl bei einem Vortrag in dem Siemens Headquarter in Wien. Vira spricht im Rahmen einer Veranstaltung des Journalistinnenkongresses 2022, sie ist bei Siemens als Portfolio-Managerin in der Gebäudetechnik tätig. Ein Bereich, in dem sie als Frau fast nur von Männern umgeben ist. Mit nur 26 Jahren ist sie außerdem eine der Jüngsten im Team.. Trotzdem – oder vielleicht auch gerade deswegen – spricht Vira eindringlich über ihren Lebensweg, ihren Aufgabenbereich bei Siemens und Chancengleichheit von Männern und Frauen in technischen Berufen. Von Nervosität ist keine Spur, man merkt: Hier, in der Technik, liegt ihre Leidenschaft.
Als einzige Frau unter Männern
Als ich Vira nach ihrem Vortrag zu einem Gespräch treffe, ist sie nicht minder selbstbewusst. Die junge Frau weiß was sie will, kommuniziert direkt, aber herzlich und mit viel Gespür für ihr Gegenüber. Sie erzählt mir von ihrem beruflichen Werdegang: Dass Vira einmal einen Beruf in der Technik ergreifen sollte, wurde der jungen Frau schon früh bewusst. Geboren und aufgewachsen in der Ukraine, erhielt sie insbesondere von ihrem Vater Unterstützung: Dieser prägte ihr immer wieder ein, dass die Technik ein sehr breites Arbeitsfeld mit vielen unterschiedlichen Jobmöglichkeiten sei. So studierte Vira nach ihrem Schulabschluss zwei Jahre lang Optotechnik in der Ukraine, während sie darauf wartete, in Wien Biotechnologie am FH Technikum Wien studieren zu können. Als Vira nicht aufgenommen wurde, entschloss sie sich dafür, stattdessen den Studiengang Smart Homes und Assistive Technologien zu belegen. Die richtige Entscheidung: Das Studium eröffnete ihr neue Perspektiven und verdeutlichte ihr die Verschränkung von Technik und sozialen Aspekten.
Doch die Studienzeit kam auch mit einige Herausforderungen: Umzug in ein fremdes Land, Unterricht in einer Fremdsprache. Die Technikerin war die einzige weibliche und nicht-österreichische Studentin des Jahrgangs. Vira hatte zwar zu Schulzeiten etwas Deutsch gelernt, die wirklichen Sprachkompetenzen eignete sie sich jedoch erst in Österreich an. Die ersten Jahre verbrachte sie vor allem still, sog wie ein Schwamm die Sprache und die Inhalte ihres Studiums in sich auf. Irgendwann kam der Punkt, wo der Schwamm vollgesogen war, plötzlich sprudelte alles aus ihr heraus. Sie musste „sich einfach trauen“, meint sie lachend.

Schüchtern? Fehlanzeige.
Sich etwas zu trauen ist für die heute 26-Jährige keine Herausforderung mehr. Als Produktmanagerin im Bereich HLK (Heizung, Lüftung, Klimatechnik) kleiner und mittelgroßer Gebäude ist Vira eine Art menschliche Schnittstelle und ist für die Pflege der Produktdaten sowie den technischen Support zuständig. Stressresistenz ist dabei ungemein wichtig – denn der Support wird bekanntlich kontaktiert, wenn etwas wirklich nicht funktioniert. Für Vira kein Problem: Sie schätzt die zwischenmenschlichen und technischen Herausforderungen gleichermaßen.
Kernpunkt ihrer Arbeit sind außerdem Schulungen, die die Technikerin zwei Mal pro Jahr auf Deutsch oder Englisch abhält. Ihr erstes Training hielt sie als 23-jährige Berufsanfängerin vor einer Gruppe von Männern ab, die im Durchschnitt doppelt so alt und erfahren waren. Eine Herausforderung war dies jedenfalls: „Eigentlich war ich ja immer sehr ruhig und schüchtern“, meint Vira lachend. Trotz ihrer anfänglichen Nervosität lief die erste Schulung gut, ihr war immer bewusst, dass Schulungen für alle Beteiligten eine Möglichkeit sind, voneinander zu lernen. Begegnung auf Augenhöhe – ein Grundsatz, den sie auch heute noch aktiv in ihre Trainings einbindet.
„The Most Dangerous Phrase in the Language is: We’ve Always Done It That Way“.
Bei unserem Gespräch bleiben wir immer wieder bei dem Thema „Frauen in der Technik“ stehen. Während Computing und Programmieren zu Beginn durchaus weiblich besetzte Fachgebiete waren, änderte sich dies mit der Entwicklung der Informatik zur Wissenschaft, erzählt Vira. Sie zitiert Grace Hopper, eine Mathematikerin und Physikerin, die wesentliche Vorarbeiten für die Entstehung von Computersprachen geleistet hatte: „The Most Dangerous Phrase in the language is: We’ve Always Done It That Way“. Immer wieder neue Wege zu finden, sich nicht vom altbekannten Pfaden und Stereotypen leiten zu lassen, ist Vira wichtig. Als die Technikerin in einer ihrer Schulungen zum ersten Mal auf eine weibliche Teilnehmerin traf, war dies ein besonderer Moment in ihrer Karriere, über den sie sich sehr freute. Doch dass dies für sie ein Ereignis darstellte, zeigte ihr, wie viel Arbeit auch noch bevorstehe.
Vira vertritt nicht die Meinung, dass alle Frauen eine Karriere in der Technik anstreben sollten oder dass ausgewogene Geschlechterverhältnisse im Beruf das unbedingte Ziel seien. Die Wahl zu haben, das ist es, worauf es für sie ankomme. Dafür sollte man ihrer Meinung nach schon früh damit beginnen, Kindern – egal welchen Geschlechts – ein diverses Bild von Joboptionen aufzuzeigen. Das beginnt im Kleinen, wie beispielsweise beim proaktiven Weitererzählen und führt ins Größere: Repräsentation in Medien, Aufklärung, Kampagnen, und Mentoringprogramme. Es brauche diesen Mehraufwand, um Chancengleichheit zu erreichen. Und letztlich, ganz im Sinne Grace Hoppers, auch ein gewisses Maß an individuellem Mut: Es einfach zu versuchen und einen neuen Weg zu gehen.