Die große Chance
Der Digitale Produktpass wird in den nächsten Jahren die Möglichkeit entstehen lassen, einem Produkt entlang seines Lebenszyklus Daten mitzugeben. Diese standardisierten Daten ermöglichen, neue digitale Services anzubieten.
Der Digitale Produktpass wird in den nächsten Jahren die Möglichkeit entstehen lassen, einem Produkt entlang seines Lebenszyklus Daten mitzugeben. Diese standardisierten Daten ermöglichen, neue digitale Services anzubieten.
Ein Gerät funktioniert plötzlich nicht. Zahlreiche rote Lämpchen leuchten auf. Aber wo ist die passende Bedienungsanleitung? In einem dicken Stoß von Bedienungsanleitungen wird nach der richtigen gesucht, um herauszubekommen, was denn die roten Lämpchen für eine Bedeutung haben – aber selbst, wenn dann deren Bedeutung bekannt ist, bleibt die Frage unbeantwortet, was getan werden muss, um den Fehler zu beheben.
In der Zukunft wird zu immer mehr Produkten, die neu gekauft werden, ein Digitaler Produktpass (DPP) dazugeliefert. Je nach Produktgruppe verlangt der Gesetzgeber unterschiedliche Daten, die verpflichtend angegeben werden müssen. Jedenfalls müssen das digitale Typenschild (das bisher oft auf der Rückseite oder der Unterseite von Geräten schwer zugänglich angebracht wurde), der CO2-Fußabdruck und die digitale Dokumentation – also auch die Bedienungsanleitung – darin abgespeichert werden. Mit einem Mobiltelefon kann man dann einfach einen QR-Code scannen und sofort ist die gewünschte Information verfügbar – ganz ohne lästiges Suchen.
Die einfachste Anwendung des Digitalen Produktpasses: Ein QR-Code wird mit dem Smartphone gescannt und führt zu einer technischen Dokumentation – probieren Sie es aus!
Das ist einmal ein Anfang, aber noch nicht umwerfend. Fortschrittliche Unternehmen bieten das heute schon. Interessanter wird es, wenn die Dokumentation computerlesbar ist und eine künstliche Intelligenz einem nicht nur mitteilt, was die roten Lämpchen bedeuten, sondern wie der Fehler behoben werden kann.
Oder bei Industriemaschinen: Hier kann der Produktpass auch einen Digitalen Zwilling der Maschine verfügbar machen. Oder für Recyclingunternehmen mit spezieller Leseberechtigung Informationen aufscheinen lassen, wie das Gerät zerlegt werden kann und welche Problemstoffe es beinhaltet. Mit dieser Information kann das Recycling viel effizienter und damit kostengünstiger durchgeführt und damit eine höhere Recyclingrate erreicht werden.
Um in der Industrie den wirtschaftlichen Vorteil der Digitalisierung nutzen zu können, ist es wichtig, dass Daten zwischen Unternehmen ausgetauscht werden können, und zwar so, dass sie gegenseitig verstanden und ohne Übersetzung weiterverarbeitet werden können. Im Projekt Austrian Manufacturing Innovation Data Space (amids.at) unter der Leitung der TU Wien gemeinsam mit der TU Graz und der JKU Linz sowie Siemens und zehn weiteren österreichischen Industriepartnern wird erforscht, wie dieser standardisierte Datenaustausch über den Digitalen Produktpass dazu genutzt werden kann, die Produktion in Europa wettbewerbsfähiger zu machen. Ziel ist dabei, dass die Daten nicht manuell erfasst werden müssen, sondern automatisiert aus den Produktionsdaten zum Produktpass hinzugefügt werden.
Mit dem Digitalen Produktpass können Daten entlang des Produktlebenszyklus weitergegeben werden.
TU-Graz-Dissertant Martin Schellander
Martin Schellander, Dissertant in diesem Projekt am Institut für Fertigungstechnik der Technischen Universität Graz, erzählt begeistert: „Verwendet man im Digitalen Produktpass die sogenannte Asset Administration Shell als Basistechnologie, dann können Daten mit dem Digitalen Produktpass standardisiert von Unternehmen zu Unternehmen entlang des Produktlebenszyklus weitergegeben werden. Und zwar nicht nur die gesetzlich geforderten Daten, sondern auch 3D-Konstruktionsdaten, wie man sie für Digitale Zwillinge benötigt, oder Daten, die für Sicherheitszertifizierungen verwendet werden können.“ Sein Chef, der Institutsvorstand und Dekan der Maschinenbaufakultät, Franz Haas, ist überzeugt, „dass die für den Digitalen Produktpass laufende Standardisierung des Datenaustausches zu einem Paradigmenwechsel in der Maschinenbauindustrie führen kann“.
Der Digitale Produktpass führt zu einem Paradigmenwechsel in der Maschinenbauindustrie.
Franz Haas, Institutsvorstand und Dekan der Maschinenbaufakultät der TU Graz
Herbert Tanner, Leiter der Siemens- Niederlassungen für Steiermark und Kärnten, bringt es auf den Punkt: „Unternehmen sind gut beraten, sich nicht nur mit den gesetzlichen Anforderungen des Digitalen Produktpasses zu beschäftigen, sondern eine Strategie zu entwickeln, wie sie den Digitalen Produktpass in ihrem Ökosystem nutzen können, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern – dabei helfen wir gerne.“
Durch die gesetzliche Verpflichtung wird in den nächsten Jahren eine Infrastruktur für den Digitalen Produktpass aufgebaut werden. Das ist eine große Chance für Unternehmen, diese über die gesetzlichen Verpflichtungen hinaus zu ihrem Vorteil zu nutzen.
Nach und nach soll der Digitale Produktpass eingeführt werden – für Batterien schon 2027, danach auch für Textilien, Bauprodukte sowie Eisen und Stahl.
Der Digitale Produktpass wird schrittweise eingeführt. Beschlossen ist das EU-Gesetz für den Digitalen Produktpass von Batterien für alle Elektrofahrzeuge, leichte Verkehrsmittel und Industriebatterien (ab 2 kWh), das bereits im Februar 2027 in Kraft tritt. Im selben Jahr sollen Textilien, Eisen und Stahl sowie Bauprodukte folgen; nach und nach dann andere Produktgruppen.
Ein Batteriepass dient als digitaler Datensatz für einzelne Batterien, der ihren gesamten Lebenszyklus dokumentiert, von der Beschaffung der Rohstoffe bis zur Wiederaufbereitung und zum Recycling. Er enthält Informationen über die Zusammensetzung, die Herstellung, die Leistung und die Umweltauswirkungen der Batterie. Der Battery Passport fördert die nachhaltige Nutzung und das Recycling von Batterien.
Der Battery Passport fördert die nachhaltige Nutzung und das Recycling von Batterien.
Siemens bietet einen Battery Passport für Batteriehersteller an. Als führender Anbieter von Automatisierungskomponenten kann Siemens über das IT-OT-Portfolio bis zu zwei Drittel der für den Battery Passport relevanten Daten, die aus mehr als 100 Attributen bestehen, liefern. Dazu gehört auch der Product Carbon Footprint (PCF), der über Siemens SIMATIC Energy Manager PRO und die PCF-Managementplattform von Siemens namens SiGREEN erfasst werden kann.
Der Siemens Battery Passport geht über die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften hinaus und unterstützt Stakeholder dabei, breite nachhaltige Ansätze umzusetzen.
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