Einrichten eines Roboters mit der Siemens-CNC-Steuerung SINUMERIK ONE © Siemens

Michael Heiss

25.06.2025

Lesezeit 7 Min

Digitale Transformation

Michael Heiss

25.06.2025

Lesezeit 7 Min

Das Beste aus beiden Welten

Roboter sind eines der Universalwerkzeuge der Zukunft. Um sie ähnlich präzise und genauso programmierbar wie CNC-Fräsmaschinen zu machen, müssen Roboter durch CNC-Steuerungen angesteuert werden.

© Siemens 20250515_5DII_COMAU-13-Kopie-1024x683

Das Beste aus beiden Welten

CNC-Maschinen sind gebaut, um genau zu sein. Bei einer CNC-Fräsmaschine erwartet man meist eine Genauigkeit von einem hundertstel Millimeter – Spezialmaschinen schaffen sogar einen tausendstel Millimeter Genauigkeit. Fräsen ist bekannt als die Königsklasse der Metallbearbeitung. Die kleinsten Ungenauigkeiten sind an der Oberfläche des Werkstücks erkennbar und können die Funktion des produzierten Teils stören.

Roboter sind gebaut, um flexibel zu sein. Ein Standard-Industrieroboter kann Dinge ergreifen und richtig positioniert anderswo wieder ablegen. Man nennt das Pick-and-Place. Aber ein Roboter kann auch schweißen, wie es beim Additive Manufacturing benötigt wird, wenn man dem Roboter einen Schweißkopf in die „Hand“ gibt. Kann ein Roboter auch fräsen, wenn man ihm einen Fräskopf zur Verfügung stellt, oder gar eine Kombination aus mehreren Tätigkeiten ausführen?

Kann ein Roboter fräsen?

Ja, er kann. Aber wie erreicht man die erforderliche Genauigkeit? Von einem Industrieroboter erwartet man meist nur eine Genauigkeit von einem Millimeter. Das ist um einen Faktor 100(!) ungenauer, als man es bei einer CNC-Fräsmaschine erwarten kann. Präzisionsroboter schaffen eine Genauigkeit von einem zehntel Millimeter – auch das ist immer noch um einen Faktor 10 ungenauer als die CNC-Fräsmaschine.

Da hilft es, wenn man eine CNC-Steuerung wie zum Beispiel die Siemens SINUMERIK ONE, die bei CNC-Fräsmaschinen eingesetzt werden, mit dem Zusatz Run MyRobot/Direct Control als Robotersteuerung einsetzt. So eine Computerized-Numerical-Control(CNC)-Steuerung ist dafür gebaut, Fräsmaschinen unterschiedlichster Hersteller hochpräzise zu steuern. Es klingt für Laien verwunderlich, dass es für die CNC-Steuerung kaum einen Unterschied macht, ob sie eine Fräsmaschine steuert, die drei Achsen zum Anfahren der x-, y- und z-Koordinate hat (man will ja an jeder Position im Raum fräsen können), oder eine sogenannte 5-Achs-Maschine, die zusätzlich auch noch einen Schwenktisch hat, der in zwei Richtungen geneigt werden kann, oder ob es ein 6-Achs-Roboter ist, der seine Arme drehen und abwinkeln kann und dadurch jede Position innerhalb seiner Reichweite aus jeder Richtung erreichen kann.

© Siemens

SINUMERIK ONE als CNC-Steuerung für Roboter.

Jede dieser sogenannten Achsen (also etwa ein Roboterarm-Gelenk) hat einen eigenen Servomotor und die Steuerung richtet in jedem Moment die Stellung von diesen vielen Motoren gleichzeitig ein. Für uns Menschen wäre es viel leichter, eine Maschine händisch so zu steuern, dass sie so viel Millimeter nach rechts, so viel Millimeter nach hinten und so viel Millimeter noch oben fahren soll, als bei einem Roboter, wo das alles in Winkel der Gelenke umgerechnet werden muss. Für die CNC-Steuerungen sind das aber nur unterschiedliche „Kinematiken“, also unterschiedliche Bewegungsmethoden, die sich blitzschnell ineinander umrechnen lassen.

Diese CNC-Steuerungen wurden für den Zweck der hochgenauen Metallbearbeitung über Jahrzehnte immer weiter verbessert, aber nicht nur die Steuerung selbst, sondern auch das Softwareumfeld. Metallbearbeitende rund um den Globus wissen, wie man CNC-Maschinen so programmiert, dass sie die gewünschte Form aus dem Metallrohling herausfräsen. Man hat die CAD-/CAM-Software entwickelt, die immer mehr die Programmierung der Maschine vom Shopfloor an den Schreibtisch in die Büros verlagert. Man hat Edge- Computing-Tools entwickelt, die eine Datenauswertung während des Bearbeitungsprozesses ermöglichen, und man hat ein ganzes Baukastensystem von Methoden entwickelt, die die Genauigkeit erhöhen. Vereinfacht gesagt, alle Ungenauigkeiten, die man mit Physikwissen vorausberechnen kann, kann man auch kompensieren und somit verhindern.

Beispiel: Steifigkeit von Maschinen

Nur ein Beispiel: Bei Maschinen spricht man von einer Steifigkeit, die sagt, wieviel Kraft man benötigt, um die Maschine um einen tausendstel Millimeter zu verbiegen. Je höher die Steifigkeit der Maschine, desto mehr Kraft benötigt man. Beim Fräsen kann es schon vorkommen, dass Kräfte wie von einem 40kg-Gewicht auf den Fräskopf wirken. Eine typische Werkzeugmaschine verbiegt sich in so einem Fall nur um 4 hundertstel Millimeter. Ein typischer Roboter um einen ganzen Millimeter. Aber: Man kann mit einem sogenannten Schnittkraftsimulator im Vorhinein berechnen, wie groß diese Kraft sein wird, aus welcher Richtung sie kommt, und kann daher einen Großteil der damit verursachten Ungenauigkeit rechnerisch kompensieren, also vermeiden.

Portraitfoto von Severin Maier, Projektleiter CORNET-Förderprojekt IDAP+, Institut für Fertigungstechnik und Photonische Technologien, TU Wien © Klaus Ranger

“Der Vorteil des Betriebs eines Roboters mit einer CNC-Steuerung ist die einfache Nutzung der gesamten Softwarelösungen, die für CNC-Fräsmaschinen beziehungsweise Werkzeugmaschinen entwickelt wurden.“

Severin Maier, TU Wien

Das Team vom Institut für Fertigungstechnik und Photonische Technologien an der TU Wien arbeitet mit der Unterstützung von Siemens daran, die Vorteile, die Einsatzgebiete, aber auch die Grenzen der CNC-gesteuerten Roboter aufzuzeigen. Severin Maier, Projektleiter im CORNETFörderprojekt „Integrated Data-based Chain Optimization in Casting and Machining Production (IDAP+)“ am Institut erklärt: „Der Vorteil des Betriebs eines Roboters mit einer CNC-Steuerung ist die einfache Nutzung der gesamten Softwarelösungen, die für CNC-Fräsmaschinen beziehungsweise Werkzeugmaschinen entwickelt wurden. Im Projekt programmieren wir einen COMAU-Roboter mit der CNC-Steuerung Siemens SINUMERIK ONE und Run MyRobot/Direct Control in der CAM-Software Siemens NX, wir generieren einen Digitalen Zwilling mit Siemens Create My Virtual Maschine in NX und wir analysieren mit Siemens Analyze My Workpiece/Toolpath den Bearbeitungsprozess und auftretende Abweichungen der Werkzeugbahnen vom Idealwert.“

Portraitfoto von Martin Wolf, Digitalisierung im Bereich Werkzeugmaschinen für Österreich und CEE, Siemens Österreich © Siemens

“Die digitale und die reale Welt der Maschinen wachsen immer mehr harmonisch zusammen. Der Roboter kann mehrere seiner Fähigkeiten einsetzen, also nicht nur Fräsen und Bohren oder Schweißen, sondern auch das Ergreifen und Positionieren des Werkstücks.“

Martin Wolf, Siemens Österreich

Martin Wolf von Siemens Österreich, verantwortlich für Digitalisierung im Bereich Werkzeugmaschinen für Österreich und CEE, bringt es auf den Punkt: „Die digitale und die reale Welt der Maschinen wachsen immer mehr harmonisch zusammen. Einen 6-Achs-Roboter kann man für komplexere Fräsaufgaben nicht mehr ohne Softwareunterstützung als Mensch programmieren, um die geforderte Genauigkeit zu erreichen. Deshalb verwendet man in der Industrie für Roboter die CNC-Steuerungen, um die bei Werkzeugmaschinen bewährte CAD-/CAM-/CNC-Kette und das ganze damit verbundene Software- Ökosystem auch für Roboter einsetzen zu können. Ein weiterer Vorteil: Der Roboter kann mehrere seiner Fähigkeiten einsetzen, also nicht nur Fräsen und Bohren oder Schweißen, sondern auch das Ergreifen und Positionieren des Werkstücks.“ Also eine Kombination vom Besten aus beiden Welten.

Über den Autor

Michael Heiss
Michael Heiss
Michael Heiss ist Principal Consultant für Digital Enterprise bei der Siemens AG Österreich und Honorarprofessor für Innovations- und Technologiemanagement an der TU-Wien.