Gemeinsam auf dem Weg in eine klimaneutrale Stromzukunft
Wie sehen Energienetze der Zukunft aus? Wie müssen sie geplant, gebaut und betrieben werden? Diesen und vielen anderen Fragen widmen sich Siemens und das AIT im Rahmen gemeinsamer Forschungskooperationen.
Gemeinsam auf dem Weg in eine klimaneutrale Stromzukunft
Das Stromnetz braucht für die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energie digitalisierte und vernetzte Systeme und wird eine zentrale Rolle für die Energieversorgung in einer klimaneutralen Welt spielen. Netzbetreibern die Möglichkeiten aufzuzeigen, wo und wie mit möglichst geringem Aufwand der maximale Nutzen erreicht werden kann, ist nur ein Ziel, das sich aktuell über viele gemeinsame Forschungsprojekte von Siemens und dem AIT Austrian Institute of Technology spannt. Die Zusammenarbeit ist nicht neu – im Gegenteil: „Bereits seit Jahrzehnten greifen wir laufend Themen auf und schauen uns an, wie wir diese am besten in die Praxis überleiten“, bringt Friederich Kupzog, Leiter des Center for Energy am AIT, die gemeinsamen Ziele auf dem Punkt. „Wir sind Österreichs größte Research-and-Technology-Organisation und ein anwendungsorientiertes Forschungsinstitut“, so Kupzog weiter, „und wir sind im Zuge unserer Kooperationen mit Siemens bestrebt, ein praxisnahes Szenario aufzubauen, um zu erforschen, was die Umsetzung braucht und welcher Nutzen damit verbunden ist.“
“Unterschiedliche Sichtweisen – die anwendungsorientierte von Siemens und die wissenschaftliche des AIT – ergänzen sich hervorragend, weshalb
unsere Kooperationen wunderbar funktionieren.“
Friederich Kupzog, Head of Center for Energy, AIT
Die Wege zur Zusammenarbeit sind dabei durchaus unterschiedlich, „es gibt kein vorgegebenes Strickmuster“, so Robert Tesch, der bei Siemens Österreich den Bereich Electrification & Automation leitet, „doch an interessanten Themen mangelte es nie. Und das wird sich auch in Zukunft nicht ändern.“ Bereichernd für Kooperationen ist sicher die unterschiedliche Sichtweise jedes Projektpartners: der produkt- bzw. lösungsorientierte Zugang von Siemens hier und die wissenschaftliche Perspektive des AIT dort, die volkswirtschaftliches Interesse und größere Zusammenhänge miteinschließt. „Wir von Siemens schätzen den Blick von außerhalb, der unsere eigene Konzernsicht bereichert. Und wir haben die Kompetenz, die Forschungsergebnisse technologisch umzusetzen“, sagt Tesch. Siemens-Forschungs- und Innovationsexperte Andreas Wöhrer ergänzt: „Durch verschiedene Forschungsprojekte haben wir einen sehr guten Überblick bekommen, wo und wie wir unsere Kunden auf dem Markt unterstützen können. Diesen Wissensvorsprung kann Siemens nutzen, um zu schauen: Ist das die richtige Lösung? Funktioniert sie wunschgemäß? Bringt sie den erwarteten Nutzen?“
“Mit der Elektrifizierung vieler Prozesse
kommt dem Stromnetz in Zukunft eine Schlüsselrolle zu – in diese
Richtung zielt unsere Kooperation langfristig.“
Andreas Wöhrer, Innovation & Digital Business Professional bei Siemens
Von der Forschung in die Praxis
Einige Erkenntnisse erfolgreicher Forschungsprojekte sind etwa in die erste intelligente Ortsnetztrafostation eingeflossen, die kürzlich in Fernitz in Betrieb genommen wurde. Sie ist zu 100 Prozent fernbedien- und überwachbar und kann durch Einspeiser und Verbraucher verursachte Spannungsschwankungen mittels eines regelbaren Ortsnetztrafos automatisch ausregeln. Die zusätzliche Cloudintegration ermöglicht das Management sowie die Optimierung und Automatisierung der Elektrifizierungsinfrastruktur. „Mit der ersten smarten fabriksfertigen, typgeprüften Siemens- Ortsnetzverteilstation unterstützen wir Energieversorger – wie das Elektrizitätswerk Fernitz – bei der Bewältigung steigender Anforderungen hinsichtlich Dekarbonisierung und Digitalisierung ihrer Netze“, so Robert Tesch.
Erkenntnisse von gemeinsamen Forschungsprojekten sind in die erste intelligente Ortsnetztrafostation beim E-Werk Fernitz eingeflossen.
Ein weiteres sehr interessantes Beispiel für ein bereits abgeschlossenes Forschungsprojekt ist die Blockchain-Technologie. „Wir wollten wissen, ob diese Lösung sinnvoll in der Energieautomatisierung verwendet werden kann und sie sich eignet, um die Speicherbewirtschaftung zu managen und die Abrechnung zu organisieren“, umreißt Wöhrer. Parallel zu einer Simulation wurden die Entwicklungen dafür in einem Niederspannungsnetz in der Steiermark einer Validierung unter Realbedingungen unterzogen. „Die Frage war: Ist das der beste Ansatz, um diese Anforderungen zu lösen? Wir kamen gemeinsam zum Ergebnis, dass es auch anders, einfacher und effizienter geht. Letztendlich sind solche Forschungsergebnisse gleichermaßen sehr wertvoll“, so Robert Tesch. „Ein Projekt wie dieses hilft uns, den Markt und anwendbare Technologien besser zu verstehen.“
“Wir Forschende brauchen immer den Blick auf den technologischen State of the Art, weshalb der Zusammenarbeit mit einem führenden Unternehmen wie Siemens eine tragende Rolle zukommt.“
Tara Esterl, Leiterin der Abteilung für Integrierte Energiesysteme am AIT
Frühzeitig Herausforderungen angegangen
Ein Projekt, das sehr frühzeitig kommende Herausforderungen unter die Lupe genommen hat, war CLUE (gefördert von FFG). „Bereits 2019 haben wir gemeinsam das Thema Energiegemeinschaften aufgegriffen, um zu schauen, wie die Technologie und die Geschäftsmodelle der Zukunft aussehen könnten“, erklärt Tara Esterl, Leiterin der Abteilung für Integrierte Energiesysteme am AIT. Denn Energiegemeinschaften sind ein wesentlicher Bestandteil des zukünftigen Energiesystems. Sie ermöglichen eine Zusammenarbeit auf lokaler Ebene in der Erzeugung, Verteilung, Speicherung und Versorgung. Ziel ist es, den Anteil der erneuerbaren Energieerzeugung zu maximieren und den Verbrauch innerhalb einer Gemeinschaft zu optimieren. Das Forschungsprojekt CLUE entwickelte einerseits ein Toolkit für Planung und Betrieb als Grundlage für eine erfolgreiche Verbreitung von lokalen, nutzerfreundlichen Energiegemeinschaften und andererseits breites Know-how über die optimierte Planung und Gestaltung sowie den Betrieb. „CLUE ist ein gutes Beispiel für ein Thema, auf das wir uns frühzeitig vorbereiten wollten“, so Robert Tesch. „Letztendlich konnte jeder Partner des Forschungsprojekts profitieren und wir konnten unsere Produkte und Lösungen von Anfang an in die richtige Richtung entwickeln.“
“Wir sind in Österreich in der glücklichen Lage, dass Forschungsförderung gut funktioniert. Das führt zu Problemlösungen für unsere Kunden und ist ein wichtiger Standortvorteil.“
Robert Tesch, Leiter Geschäftsbereich Electrification & Automation, Siemens
Bestehende Stromnetze während des laufenden Netzausbaus bestmöglich zu nutzen, ist eine der größten aktuellen Herausforderungen und stellt so die verbindende Klammer gleich mehrerer derzeit laufender gemeinsamer Forschungsprojekte dar. Etwa das ebenfalls FFG-geförderte Projekt Operational Envelopes (OpEn): Dieses zielt auf die Entwicklung und Validierung eines neuartigen Ansatzes für das dynamische Kapazitätsmanagement durch die Nutzung der Adaptabilität dezentraler Energieressourcen in Mittel- und Niederspannungsnetzen in Österreich ab. Durch den Einsatz von Operational Envelopes, also die Bereitstellung von dynamischen, zeitvariablen Betriebsgrenzen, die durch datengesteuerte Modelle und fortschrittliche Netzüberwachung bestimmt werden, sollen die Nutzung der bestehenden Infrastruktur optimiert, kostspielige Netzverstärkungen minimiert und die Flexibilität des Netzbetriebs erhöht werden. „Wir haben bei allen Projekten reichhaltige Möglichkeiten, die Auswirkungen vorab zu testen bzw. zu simulieren, bevor die Lösung in die Realität übergeführt wird“, so Esterl. Das stellt sicher, dass es keine unerwarteten negativen Auswirkungen auf die Stromnetze gibt. Eine ganze Palette an verschiedenen Simulationen – auch in Echtzeit – steht dem AIT dafür zur Verfügung, ebenso wie eine umfangreiche Laborinfrastruktur.
Ganz ähnliche Ziele verfolgt das Projekt friendlyCharge, unterstützt durch die FFG. Um einen erfolgreichen Übergang zur Elektromobilität zu gewährleisten und Engpässe im Stromnetz zu vermeiden, fokussiert dieses Projekt darauf, eine innovative Lösung für bedarfsorientiertes und netzfreundliches Laden in Wohngebieten zu entwickeln und umzusetzen. Dazu forschen die Projektpartner an drei Kernaspekten: dem technologischen Konzept für netzfreundliches Laden mittels einer Schnittstelle, der Kommunikationssicherheit und deren Auswirkungen auf das Kommunikationsnetz und den regulatorischen Rahmenbedingungen sowie den Tarif- und Geschäftsmodellen. Abschließend sind sich alle einig: „Der gemeinsam erarbeitete Know-how-Aufbau rüstet uns für die klimaneutrale Stromzukunft!“