Werde Teil der Energiewende
Es war noch nie so einfach, bei der Energiewende mitzumachen.…
Siemens
Es war noch nie so einfach, bei der Energiewende mitzumachen. Als Einzelperson und in überschaubaren Gemeinschaften – abgestimmt natürlich mit anderen berechtigten Interessen, einer Fülle von Stellhebeln und beteiligten Playern. Strom kommt vom Dach und vom Balkon. Stromnetze kommunizieren mit Gebäuden und Fahrzeugen. Menschen zwischen Bregenz und Wien können sich gegenseitig mit Strom versorgen. Raumwärme und Kühlung kommen bald aus einem Gerät. Und E-Mobilität reicht von der Eisenbahn bis zur E-Seilbahn.
Erstmals politisch verwendet hat den Begriff „Energiewende“ die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Bereits 1980 erschien das Buch „Energiewende: Wachstum und Wohlstand ohne Erdöl und Uran“. Als das Kraftwerk Fukushima 2011 zerstört wurde, setzte Merkel den vorzeitigen Ausstieg aus der Atomkraft durch. Zu Beginn zielte der Begriff auf Energieeffizienz, Versorgungssicherheit, Erneuerbare und den Atomausstieg. Heute wird die Energiewende zumeist an den CO2-Emissionen bemessen. Wenn Österreich seinen – vertraglich zugesicherten – Anteil an der Reduktion erfüllen will, muss das Energiesystem rasant dekarbonisiert werden und sich die heimische Energiewirtschaft rasch weiterentwickeln. Und das passiert auch.
Noch nie so einfach, einen Beitrag zu leisten
Österreich ist mit einer vielfältigen Landschaft gesegnet, die vielfach als Tourismusdestination vermarktet wird. Die Menschen wohnen in Städten und Dörfern, am Berghang, im Tal, am See oder im Speckgürtel. Naturräume zu erhalten, nicht jeden kleinen Bach und jedes fruchtbare Bodenstück zu verbauen, die nötige Infrastruktur gut einzubetten, ist in unser aller Interesse, ebenso wie den fortschreitenden Klimawandel zu stoppen. Die gute Nachricht: Es war noch nie so einfach, einen Beitrag zu leisten. Sage mir, wie du wohnst, und ich sage dir, was du tun kannst. Sparsame, energieeffiziente und klimaneutrale Lösungen gibt es für das 120 Jahre alte Zinshaus am Wiener Gürtel ebenso wie für den kommunalen Wohnbau, das Einfamilienhaus im Speckgürtel, den Vierkanthof im Waldviertel oder das Passivhaus.
Abgesehen von einem breiten Angebot an Förderungen für den Umstieg auf nachhaltige Heizsysteme, zahlen Privatpersonen seit Jänner 2024 keine Umsatzsteuer auf den Kauf von PV-Anlagen mit einer Engpass-Leistung von 35 Kilowatt-Peak sowie dazugehörige Speicher, sofern sie gemeinsam angeschafft werden. Es sind keine weiteren Förderanträge notwendig. Unter dieser Grenze bleiben praktisch alle Anlagen, die auf dem eigenen Hausdach installiert werden, aber auch sogenannte „Steckersolaranlagen“ (bis 800 W), die etwa am Balkongeländer befestigt werden können. Nach ersten Schätzungen des Klimaschutzministeriums wurde im Jahr 2023 der Zubaurekord bei Photovoltaik aus 2022 nochmal verdoppelt.
INFOBOX
Kuchen backen mit einer Kilowattstunde
Kilowatt-Peak (kWp) ist das Maß für die Leistung einer Photovoltaikanlage bei idealen Bedingungen. Kilowattstunde (kWh) steht für die von der PV-Anlage erzeugte Strommenge. Die in einer Kilowattstunde Strom enthaltene Energie bewältigt 1 Waschmaschinenwäsche, 50 Stunden Raumbeleuchtung mit einer Energiesparlampe, einen Kuchen backen, 7 Stunden fernsehen oder Essen kochen für 4 Personen.
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Wer selbst Strom auf dem Dach oder am Balkon erzeugen kann, dem kommt der laufende Ausbau moderner Stromzähler, sogenannter Smart Meter, zupass. Bis Ende 2024 sollen 95 Prozent der Haushalte mit digitalen Zählern erfasst werden. Ob Kunde oder Erzeugende, die eigenen Daten lassen sich im Internet im Blick behalten und das eigene Verhalten entsprechend steuern. Der Stromverbrauch wird alle 15 Minuten an den Netzbetreiber übermittelt. Mit dem Wechselrichter der eigenen Solaranlage verbunden, misst das digitale Erfassungssystem auch gleich die produzierte Energiemenge und die Einspeiseleistung. Wenn mittags die Sonne scheint, werfen Eigenstromerzeugende gerne Waschmaschine und Geschirrspüler gleichzeitig an.
Wende am Automarkt
Wer Strom auf dem Dach erzeugt, setzt ihn gerade im ländlichen Raum heute schon häufig als Treibstoff im eigenen E-Auto ein. Der Klima- und Energiefonds beschreibt im „Faktencheck E-Mobilität 2022“, dass Elektroautos zumeist zuhause oder am Arbeitsplatz geladen werden. Ende 2023 standen 22.139 öffentliche Ladepunkte zu Verfügung (Quelle: E-Control). In Österreich werden durchschnittlich pro Tag 35 Kilometer mit dem Auto zurückgelegt, wobei 99 Prozent aller Autofahrten kürzer als 150 Kilometer sind. Die Reichweite bei aufgeladenem Akku beträgt je nach Modell, Fahrstrecke und Fahrverhalten von 200 bis 450 Kilometer. Alltagswege können also mit jedem heute verfügbaren Elektroauto problemlos mehrmals bewältigt werden. Aktuell verbaute Lithium-Ionen- Akkus sind auf eine Lebensdauer von 15 Jahren und eine Fahrleistung von mindestens 150.000 Kilometer ausgelegt.
In Österreich werden durchschnittlich pro Tag 35 Kilometer mit dem Auto zurückgelegt, wobei 99 Prozent aller Autofahrten kürzer als 150 Kilometer sind.
Elektromotoren stoßen im Betrieb keine Treibhausgase oder Luftschadstoffe aus und verursachen kaum Lärm. Auch bei Betrachtung des gesamten Fahrzeuglebens bis zur Entsorgung verursachen sie deutlich weniger Treibhausgasemissionen. Für 2025 wird bereits die Preisparität in den Anschaffungskosten von E-Auto und „Verbrenner“ erwartet. Doch auch ein Elektroauto rechtfertigt nicht, jede kurze Strecke damit zu fahren. Die Nase vorne hat immer noch die Bahn, die im Vergleich verschiedener Antriebe und als Massenverkehrsmittel weniger Emissionen als das Elektroauto verursacht.
Das Jahr 2023 brachte bereits die Wende auf dem heimischen Automarkt: Erstmals machten Fahrzeuge mit Hybrid- und reinem Elektroantrieb beinahe die Hälfte der Neuzulassungen aus – es wurden zudem mehr E- als Dieselautos zugelassen. 47.621 der neu zugelassenen Autos waren reine Stromer (davon fast 39.000 Firmenwagen). Das entspricht gegenüber 2022 einem Anstieg von fast 40 Prozent.
Inzwischen wird auch der Weg auf Österreichs Gipfel nicht mehr nur durch E-Bikes unterstützt. Auf das Zwölferhorn fährt seit 2023 die erste energieautarke Seilbahn der Welt. Auf dem Dach der Talstation in St. Gilgen am Wolfgangsee und am südlichen Hang der Bergstation wurden PV-Anlagen und ein Batteriespeichersystem errichtet. Von April bis September fährt die Seilbahn energieautonom. Über das gesamte Jahr geht die Energieerzeugung über den Eigenbedarf hinaus, der Überschuss wird eingespeist.
Aufs Zwölferhorn mit der ersten energieautarken Seilbahn der Welt.
Weiterentwicklung von Energiegemeinschaften
2021 wurde die gesetzliche Grundlage für sogenannte Energiegemeinschaften geschaffen. In einer Energiegemeinschaft können sich Haushalte landesweit mit kleinen Erzeugern in einem Verein oder einer Genossenschaft vernetzen und voneinander Strom kaufen beziehungsweise sich gegenseitig verkaufen. Seit Ende 2023 ist es erlaubt, dass Erzeugung und Verbrauch auch an unterschiedlichen Orten stattfinden. Mitmachen können Privatpersonen, Gemeinden und mittelständische Unternehmen. Zu wissen, woher der Strom kommt und wie er erzeugt wird, macht erneuerbare Energieträger zur persönlichen Angelegenheit. Viele motiviert der Gedanke an Autarkie, andere die Idee der Demokratie. Denn über den Energiepreis entscheidet die Energiegemeinschaft eigenständig.
Grundsätzlich kann jedes Dach, jedes private Laufkraftwerk und jedes Windrad zu einem Geschäftsfeld werden. Voraussetzung für eine Energiegemeinschaft ist ebenfalls ein Smart-Meter-Anschluss. Und wenn von der Energiegemeinschaft kein oder zu wenig Strom geliefert wird, springen die angestammten Versorgungsunternehmen ein. Wie Konkurrenz zu Kooperation werden kann, beweisen Lieferanten, die sich den Energiegemeinschaften als Dienstleiter anbieten, um sie bei der Gründung und der internen Verrechnung zu unterstützen.
Einen guten Überblick zu klimarelevanten Infos rund ums Wohnen, Bauen, Fahren und Energiesparen bietet die Initiative „klimaaktiv“, betreut von der Österreichischen Energieagentur. Wer gerade ein Haus baut, kann sich bereits bei der Errichtung Gedanken über ein modernes Heiz- und Warmwassersystem mittels Wärmepumpe machen und die Gebäudehülle auf Niedrigenergie- oder Passivhausstandard optimieren. Dasselbe gilt für Fassadendämmung und Wärmepumpe im modernen Wohnbau. Der Vorteil der Wärmepumpe ist ihre Effizienz. Sie vervielfacht die Energieausbeute gegenüber dem eingespeisten Strom für den Betrieb. Gerade in Österreichs Städten sind jedoch Gasetagenheizungen oft noch Standard. 580.000 von 800.000 Gasthermen tun allein in Wien Dienst. Im Alleingang ist das weder in einer Mietwohnung noch in einer Eigentümergemeinschaft leicht zu ändern.
Wärmepumpe für Mehrparteienhäuser
Auf dem Weg zur Klimaneutralität dieser Wohn- und Büroeinheiten haben das Austrian Institute of Technology (AIT) und der Hersteller Ochsner einen wichtigen Baustein entwickelt. Gemeinsam wird eine modular aufgebaute Wärmepumpe für die Umrüstung von Mehrparteienhäusern in Städten erdacht. Das Gerät soll kompakt sowie schalloptimiert sein und kann bei der Sanierung anstelle der Gastherme eingebaut werden. Die neue Wärmepumpe heizt im Winter, bereitet ganzjährig Warmwasser und kann im Sommer auch kühlen. Eine aktuelle Studie des AIT im Auftrag des Klima- und Energiefonds hat ergeben, dass sich der Kühlenergiebedarf bis 2050 ohne passive Maßnahmen wie Gebäudebeschattung, Bauteilaktivierung und Nachtlüftung beinahe verzehnfachen könnte. Denn immer öfter erreichen auch in Österreich die Temperaturen tagsüber mehr als 30 Grad Celsius. Zum Teil kühlt es nachts nicht unter 20 Grad ab – diese Tropennächte machen Jung und Alt zu schaffen.
Die einzelnen Komponenten der neuartigen Wärmepumpe sind intelligent vernetzt, sodass etwa die Abwärme bei der Kühlung im Sommer zur Warmwasserbereitung genutzt werden kann. Der modulare Ansatz ermöglicht die einfache Anpassung an die jeweilige Wohnungsgröße und den schrittweisen Austausch. Um das Gerät in Betrieb zu nehmen, braucht es zudem noch einen Wärmespeicher, der beispielsweise im Projekt Hystore des AIT entwickelt wird, sowie eine gemeinsam erschlossene Wärmequelle (Außenluft oder Erdwärme) im Wohnbau. Die Leitungen können dann über den ungenutzten Kamin geführt werden.
Wärmepumpen vervielfachen die Energieausbeute gegenüber dem eingespeisten Strom – neue Entwicklungen zielen auf den Einsatz in Mehrparteienhäusern ab.
Bereits seit 2013 leben Wienerinnen und Wiener, die in den zum Forschungsprojekt Aspern Smart City Research (ASCR) gehörenden Gebäuden wohnen, in der Energiezukunft. 2024 hat die dritte Programmperiode des Energieforschungsprojekts begonnen, das Besuchende aus der ganzen Welt anzieht. Aus einem Flugfeld ist ein bewohntes Forschungslabor geworden, das im großen Stil Wege in die Klimaneutralität mit sauberer und dezentraler Energieversorgung aufzeigt. Allein in den vergangenen fünf Jahren wurden 45 Millionen Euro investiert, 150 Mitarbeitende der Forschungsgesellschaft, an der auch Siemens beteiligt ist, haben 20 wissenschaftlich fundierte Lösungen und über 166 Forschungsfragen erarbeitet. Die beforschten ASCR-Gebäude liefern mit Messpunkten und Sensoren wertvolle Echtzeitdaten.
Für die Energiewende müssen sich auch die Stromnetze verändern, denn sie funktionieren nur im Gleichgewicht von Erzeugung und Verbrauch. Bei dezentraler Produktion, zum Beispiel auf vielen Hausdächern, wird das Ausbalancieren und Zuschalten regelbarer Kraftwerksleistung komplexer und es braucht auch mehr Übertragungskapazitäten – fallweise gibt es schon Einspeisebegrenzungen für PV-Anlagen. Dabei muss jedes Land die eigene Struktur ertüchtigen und das Netz auch im europäischen Verbund denken. Es soll ja stets genug Strom da sein, wenn der Wind nicht weht, die Sonne nicht scheint und dennoch gewohnt, geheizt, gewaschen und gefahren wird.
Strom auf dem Vormarsch
Aktuell wird der Gesamtenergiebedarf in Österreich zu rund zwei Dritteln durch fossile Energieträger gedeckt. Der Ukraine-Krieg hat die gestiegene Eigenproduktion höher auf die Agenda gesetzt. Verkehr, Industrie, Raumwärme und Landwirtschaft verursachen aktuell die höchsten Treibhausgasemissionen, hauptsächlich Kohlenstoffdioxid (CO2). In Summe tragen erneuerbare Energien derzeit über 85 Prozent zur Stromerzeugung bei. Am wichtigsten ist dabei Wasserkraft, die zwischen 54 und 67 Prozent abdeckt.
Die Stromnachfrage wird sich in Österreich bis 2040 ungefähr verdoppeln, weil die Nachfrage in der Industrie und Mobilität ansteigt und der Anteil von Strom am Gesamtenergiebedarf zunimmt. Elektrifizierung ist der zentrale Hebel zur Dekarbonisierung und zur verbesserten Energieeffizienz. Das zeigen Anwendungen wie Wärmepumpe oder E-Mobilität. Um diese stark steigende Stromnachfrage zu decken, muss sich auch die Stromproduktion in Österreich ungefähr verdoppeln, bei Wegfall von Kraftwerken, die mit Erdöl und Erdgas betrieben werden, und getragen durch Wasser- und Windkraft sowie Photovoltaik. Der Interessenverband der heimischen E-Wirtschaft hat in der „Stromstrategie 2040“ Handlungsnotwendigkeiten für eine klimaneutrale Energiewende beschrieben.
Effizient eingesetzter Strom aus erneuerbarer Energie wird zum universellen und wichtigsten Energieträger der Zukunft. Die Verdreifachung der installierten Leistung durch Erneuerbare bedeutet einen enormen Bedarf an weiterer Netzinfrastruktur wie Leitungen und Speichern, die genehmigt und errichtet werden müssen. Es gilt „sofort ins Tun zu kommen“, wie es in der Stromstrategie 2040 heißt. Und zwar nicht nur in der E-Wirtschaft, der Bauwirtschaft, bei willigen privaten Stromproduzierenden und den Genehmigungsbehörden. Wer die Energiewende zur persönlichen Mission machen möchte, hat jetzt die besten Chancen. Es gibt Förderungen, Beratung und etliche Gleichgesinnte. Neben höherer Effizienz durch Neuanschaffungen und Systemumstellungen ist als Beitrag der Einzelnen auch Suffizienz nicht zu unterschätzen.
INFOBOX
Wo mit dem Energiesparen ansetzen?
STROMVERBRAUCH IM HAUSHALT:
Kühlschrank: 5 %
Waschmaschine: 5 %
Homeoffice, TV, Kleingeräte, Standby: 23 %
Pumpen, Heizung, Lüftung: 19 %
E-Herd: 13 %
Beleuchtung: 10 %
Wäschetrockner: 10 %
Gefriergerät: 8 %
Geschirrspüler: 7 %
ENERGIESPARTIPPS:
umweltberatung.at/energiesparen
energiesparverband.at/energiespartipps
e-control.at/energiespartipps-und-energieberatung
oesterreichsenergie.at/unser-strom/
energiesparen/energiespartipps-fuerhaushalte
INTERVIEW
„Wir leben in nichtlinearen Zeiten“
Im Gespräch mit Thomas Kienberger vom Lehrstuhl für Energieverbundtechnik an der Montanuniversität Leoben über Effizienz und Suffizienz im Energiesystem, kritische Technologieabhängigkeit und die europäische Automobilindustrie am Scheideweg.
Um die Energiewende in Österreich zu schaffen und bis 2040 klimaneutral zu werden, wird an vielen Stellschrauben gedreht. Technisch scheint es mit großer Anstrengung machbar. Sie thematisieren neben der Effizienz auch den Faktor Suffizienz. Was bedeutet das?
Suffizienz bedeutet Material und Energie durch Veränderung im Konsumverhalten zu sparen, um innerhalb der ökologischen Tragfähigkeit der Erde zu bleiben. Dieser Ansatz liegt stark in der Hand der Endanwender und Endanwenderinnen. Jede und jeder kann sich die Frage stellen, was er oder sie wirklich braucht. Welche Energieservices nachgefragt werden, ob diese gar abnehmen können. Ob ich weniger Kilometer fahren könnte, die zu beheizende Gebäudefläche über die Jahre nicht vergrößere und dabei mithelfe, die Menge an Industriegütern stabil zu halten. Wir haben am Institut zwei Szenarien auf dem Weg zur Klimaneutralität gerechnet. In dem einen wurden alle Einsparungen an Primärenergie mit den besten Technologien bewältigt, im zweiten mit Suffizienzmaßnahmen. Siehe da: Die beiden waren annähernd gleich gut. Was wäre erst möglich, wenn man effiziente Technologie und bewusste Entscheidungen kombiniert?
Wo liegen die größten Effizienzpotenziale in der Endanwendung?
Auf Sicht, in den nächsten 10 bis 15 Jahren, in der Gebäudesanierung, in Heizungen, die sehr effizient Abwärme oder Umgebungswärme nutzen, zum Beispiel Wärmepumpen, in effizienteren Endgeräten, wenn sie auszutauschen sind. Aber eben nicht statt dem Klasse-A-Kühlschrank einen doppelt so großen mit Energieeffizienzklasse A++ kaufen. Oder statt 100 Quadratmetern Wohnfläche dann effizient 200 Quadratmeter zu beheizen. Den Trend müssen wir durchbrechen. Beim Pkw-Verkehr geht es sonnenklar in Richtung E-Mobilität.
Thomas Kienberger, Lehrstuhl für Energieverbundtechnik, Montanuniversität Leoben
Die Seltenen Erden für Dauermagnete in E-Motoren kommen aktuell zu beinahe 100 Prozent aus China. Auch PV-Paneele werden fast nur dort gefertigt. Kann das die Energiewende gefährden?
Wenn wir auf effiziente Technologien für die Endverbraucherinnen und Endverbraucher setzen, brauchen wir mehr erneuerbaren Strom, den wir am besten selber erzeugen. Für Industrie und Schwerverkehr wird auch grüner Wasserstoff wichtig, der ebenfalls mit erneuerbarem Strom produziert wird, wobei wir vermutlich auch Importe brauchen. Hinsichtlich der Technologien, die wir für die Stromerzeugung brauchen, wurden in der Vergangenheit industrie- und energiepolitische Fehler gemacht. Die PV- und die Windtechnologie wurden beide in Europa entwickelt. Produziert wird heute das meiste in China, auch bei den immer stärker benötigten Batterien, was zur angesprochenen Rohstoff-, aber auch zur Technologieabhängigkeit führt. Die Energiewende scheitert wohl nicht daran, aber es kostet uns Wohlstand. Der World Energy Investment Report der Internationalen Energieagentur 2023 zeigt, wie sehr Europa hinterherhängt. Ich habe unter anderem auch Sorge, dass die starke europäische Automotive-Industrie ins Hintertreffen kommt – sie steht am Scheideweg. Wir haben eine gute Kultur in der Technologieindustrie, im Anlagenbau. Für den Umstieg in Richtung Klimaneutralität müssen jetzt Technologien in die Industrie gebracht und Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit wir selbst Technologien für die Energiewende in die Welt exportieren. Auch bei den Rohstoffen müssen wir aufpassen, aber da sehe ich F&E am Zug, Technologien zu entwickeln, die nicht so viele kritische Rohstoffe brauchen. Ein Beispiel sind etwa die neue Generation Lithium- Batterien, mit Eisenphosphat statt Kobalt, die auch billiger sind.
Neben Ressourcen, Infrastruktur und Technologien braucht es auch Manpower, um das alles auf den Boden zu bringen.
Das ist die nächste Herausforderung, an der wir arbeiten müssen, sonst nutzt uns die beste Technologie und die Suffizienz nichts. Bei der Energiewende können junge Menschen etwas bewegen, quer durch die Branchen: Ingenieure und Ingenieurinnen, Forscher und Forscherinnen, Handwerker und Handwerkerinnen. Ich versuche meine Begeisterung weiterzugeben. Wir müssen überzeugen – beginnend bei den ganz Kleinen.
Was gibt Ihnen angesichts der Herausforderungen Hoffnung?
Es ist alternativlos. Weitermachen wie bisher ist keine Option. Mich motivieren der Blick zurück und die Dynamik, die wir da sehen. Als ich vor rund 20 Jahren mit dem Studium fertig wurde, war erneuerbare Energie ein Nischenthema. Wenn wir heute über Klimawandel reden, reden wir auch über einen Wandel der Energietechnik. Darüber sind wir uns als Weltgemeinschaft einig. Wir leben in nichtlinearen Zeiten und diese Dynamik ist nicht einfach. Aber sie ist auch produktiv. Es ist nicht alles perfekt koordiniert, aber die nötigen Technologien werden immer billiger. Es gibt Policies der EU zum Emission Trading, den Critical Raw Materials, die in die richtige Richtung gehen. Die Menschen werden Teil der Energiewende. PV-Paneele sind da nur die „Einstiegsdroge“. Die Herausforderungen sind riesig, aber ich gehe dem optimistisch entgegen.