Werkstück wird in Fräsmaschine bearbeitet © IFT/TU Wien
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Bis zu 28 Prozent Energie sparen

Energieeinsparung durch automatische Anpassung der Vorschubgeschwindigkeit bei CNC-Fräsmaschinen.

Digitale Transformation

25.06.2024

Lesezeit 5 Min

Michael Heiss

Wer würde bei einer langen Wanderung im Voraus auf einer Karte nach dem steilsten Abschnitt suchen, überlegen, mit welcher Geschwindigkeit dieser bewältigt werden kann, und dann die gesamte Wanderung mit dieser Geschwindigkeit gehen? Wohl kaum jemand. Wir würden doch instinktiv die ebenen und leicht ansteigenden Stellen der Wanderung schneller gehen und nur das steilste Stück mit dem dort passenden langsamen Tempo. So soll es auch in der Fräsmaschine sein, um die es nun geht.

Bei einer CNC-Maschine wird die genaue Bahn des Fräswerkzeuges mittels Computer vorab berechnet – also Computerized Numerical Control (CNC). Entlang dieser Fräsbahn muss manchmal mehr Material weggefräst werden und manchmal weniger, damit aus einem rohen Stahlstück genau diese Form entsteht, die das Teil haben soll, beispielsweise eine Pleuelstange für ein Auto.

Es ist also ähnlich wie bei der Berg- und Tal-Wanderung: Manchmal wirken geringere Kräfte auf das Fräswerkzeug, da gerade weniger Material abzutragen ist, und manchmal wirken größere, da viel Material abzutragen ist. Wäre doch eine Verschwendung, wenn man die Vorschubgeschwindigkeit für die gesamte Fräsbahn nach jener Stelle auswählt, wo die meisten Kräfte wirken.

Angepasste Vorschubgeschwindigkeit

In einer CNC-Maschine steht es uns frei, alles so zu programmieren, wie es am besten ist. In der industriellen Praxis ist es aber oft zu mühsam, die Vorschubgeschwindigkeit für jeden Teil der Fräsbahn getrennt zu programmieren. Sogenannte Luftschnitte, also Bewegungen des Fräswerkzeuges, die nur dazu dienen, es durch die Luft an eine andere Position zu bringen (ohne dass in der Zeit Material bearbeitet wird), können noch relativ leicht so umprogrammiert werden, dass hier eine höhere Geschwindigkeit verwendet wird. Schwieriger wird es, wenn es sich beispielsweise um wellige Bauteile handelt, bei denen sich die optimale Geschwindigkeit ununterbrochen ändert.

Man denke auch an die Feinbearbeitung von kurvigen Guss- und Schmiedebauteilen, die in Rohform noch große Ungenauigkeiten haben. Bei der Feinbearbeitung muss manchmal mehr und manchmal weniger Material weggefräst werden, ohne dass man das im Vorhinein genau weiß. Ein anderes Beispiel ist das sogenannte „Wire-Arc Additive Manufacturing“, also das dreidimensionale Schweißen mit einem Lichtbogenschweißverfahren ähnlich einem 3D-Drucker. Damit können zunächst auch nur grobe Formen hergestellt werden, die danach auf der Fräsmaschine zu hochgenauen Formen feinbearbeitet werden. Auch hier kann man nicht vorher planen, wo wieviel gefräst werden muss, da es sich ja um zunächst unbekannte Ungenauigkeiten handelt.

Die Lösung: Es wird auf die Daten der CNC-Steuerung zurückgegriffen, wieviel Kraft und damit auch Energie sie aktuell benötigt, um die vorprogrammierte Fräsbahn abzufahren. Die Steuerung merkt also, wenn die Maschine sich „leichter tut“, und erhöht die Vorschubgeschwindigkeit so lange, bis die Kräfte so groß sind, wie sie für die Maschine und das Fräswerkzeug geeignet sind. Diese Funktion nennt sich Siemens Adaptive Control Manufacturing (ACM). Zur Sicherheit kann auch eine Ober- und Untergrenze für die automatische Anpassung der Geschwindigkeit festgelegt werden.

Energieeinsparung und Kostensenkung

Am Institut für Fertigungstechnik und Photonische Technologien (IFT) der TU Wien wurde wissenschaftlich auf einer CNC-Maschine des renommierten österreichischen Herstellers WFL, der zur Steuerung die Siemens-SINUMERIK-Steuerung verwendet, untersucht, wie viel Energie man durch die Verwendung dieser automatischen Geschwindigkeitsanpassung einsparen kann. Der Institutsleiter des IFT, Professor Friedrich Bleicher, fasst das Ergebnis zusammen: „Unsere Analyse zeigt, dass bei typischen industriellen Fräsbearbeitungen, wie dem Ausräumen verschiedener Konturtaschen, bis zu 28 Prozent Energie eingespart werden kann, wenn die Vorschubgeschwindigkeit automatisch an die aktuellen Zerspankräfte angepasst wird.“

© IFT/TU Wien

Prof. Friedrich Bleicher (2.v.l.) demonstriert die Energieeinsparung mit der Siemens-Adaptive-Control-Manufacturing(ACM)-Suite an der CNC-Maschine von WFL mit Siemens-SINUMERIK-Steuerung.

© IFT/TU Wien


„Durch die höhere Vorschubgeschwindigkeit dauert die Fräsbearbeitung kürzer. Das ist neben der angesprochenen Energieersparnis auch eine signifikante Produktivitätserhöhung und somit Kostenersparnis“, ergänzt Martin Wolf, verantwortlich für Digitalisierung im Bereich Werkzeugmaschinen, Siemens Österreich und CEE. Die Analyse der Energieströme zeigt auch, dass die kürzere Bearbeitungszeit auf der CNC-Fräsmaschine einen ganz wesentlichen Teil zur Energieeinsparung beiträgt, da sich der Energiebedarf für den Kühlkreislauf und das Hydrauliksystem auf eine höhere Anzahl von produzierten Teilen verteilt.

Matthias Kneissl, der Leiter des Geschäftsbereichs Werkzeugmaschinensysteme von Siemens in Österreich und den CEE-Ländern, freut sich über das Ergebnis: „Mit der Siemens-Adaptive- Control-Manufacturing-Suite können unsere SINUMERIK-Kunden gleichzeitig Kosten senken und Gutes für die Umwelt tun.“

Über den Autor

Michael Heiss
Michael Heiss ist Principal Consultant für Digital Enterprise bei der Siemens AG Österreich und Honorarprofessor für Innovations- und Technologiemanagement an der TU-Wien.