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Blick auf eine Bergstation im Skigebiet Sölden © Bergbahnen Sölden
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Das digitale Skigebiet

Die Pistenverhältnisse im Tiroler Gletscherskigebiet Sölden werden optimiert durch eine Kombination aus Technologieeinsatz und Digitalisierung.

Nachhaltigkeit

19.01.2024

Lesezeit 8 Min

Siemens

Die Pistenverhältnisse im Tiroler Gletscherskigebiet Sölden werden optimiert durch eine Kombination aus Technologieeinsatz und Digitalisierung. Das bringt ein möglichst minimiertes Risiko bei maximaler Energieeffizienz und Ressourcenschonung.

Das in einer Höhe von 1.350 bis 3.340 Metern gelegene Skigebiet Sölden in Tirol bietet Skispaß, Berggastronomie sowie zahlreiche Highlights, darunter die cineastische Installation „007 ELEMENTS“ auf 3.040 Meter oder die BIG 3 Rallye. Die insgesamt 144 Pistenkilometer mit einer Gesamtfläche von 450 Hektar sind über 31 Seilbahnen erschlossen und versprechen mit zwei Gletschern sowie intelligenter und ressourcenschonender Beschneiung verlässlich Schnee von Oktober bis Mai.

Damit dieses Versprechen jährlich gehalten werden kann – auch in Zeiten des Klimawandels, womöglich milder ausfallender Vorwintermonate und steigender Energiekosten – hat man bei den Bergbahnen Sölden bereits früh mit der Digitalisierung des Skigebiets begonnen. Als Partner wurde Siemens ausgewählt: Das Unternehmen hatte mit seinen SIMATIC-S7-Steuerungen in vorangegangen, öffentlich ausgeschriebenen Projekten die Erwartungen des Kunden in puncto Standardisierung, Zuverlässigkeit und Skalierbarkeit von Industrie-, Prozess- und Automatisierungslösungen vollinhaltlich erfüllt. „Mit unserem ersten Digitalisierungsprojekt vor über 15 Jahren haben wir eine Maßnahme zur Spitzenlastbegrenzung gesetzt“, erinnert sich Michael Maier, stellvertretender Technischer Leiter der Bergbahnen Sölden, „dazu wurden flächendeckend 320 Messstellen installiert und in der Folge bis zum heutigen Tag 100 Kilometer Glasfaserkabel im Skigebiet verlegt, an dem mittlerweile auch weitere Systeme der Informations- und Kommunikationstechnologie hängen.“ Mit den Multifunktionsgeräten auf Basis von SENTRON PAC ließen sich u.a. extreme Grundlasten im Sommer genau erklären und schlafende Verbraucher lokalisieren und neutralisieren.

Seit mehr als 15 Jahren zählt das Skigebiet Sölden auf Siemens als Partner bei der Digitalisierung.

Verbreitertes Anwendungsspektrum

Während die Einhaltung der maximalen Summenenergie gegenüber dem Energieversorger laut dem stellvertretenden Technischen Leiter der Bergbahnen Sölden zweifellos als damalige Hauptmotivation bezeichnet werden kann – Überschreitungen der sogenannten Viertelstunden-Spitze sind sehr kostenintensiv – hat sich das Anwendungsspektrum seither dramatisch weiterentwickelt. „Stillstände bei der Schneeerzeugung können für unseren Kunden schnell ein saisongefährdendes Ausmaß annehmen“, weiß Lukas Tauferer, Spezialist für Prozessautomatisierung bei Siemens, „deshalb ist es unbedingt notwendig, dass weder die Trafos noch die Abgänge der Schneeerzeuger überlastet werden. Gleichzeitig gibt es bei einer bedarfsgerechten Schneeerzeugung Energie- und Kosteneinsparpotenziale.“ Die Einschätzung der tatsächlichen Schneelage im Gelände vor Saisonbeginn, der somit für ein erfolgreiches Opening benötigten Menge an technisch erzeugtem Schnee und der Voraussetzungen für seine Erzeugung – also Schneiwasser und kalte Umgebungsluft, idealerweise deutlich unter dem Gefrierpunkt – obliegt der
Expertise der Schneimeister. „Es ist im Gelände jedoch sehr schwer abzuschätzen, ob da ein, fünf oder 10 Meter liegen, da sich die Schneemasse der Umgebung anpasst. Somit bauten die erfahrenen Schneimeister von Haus aus für die Grund- und Saisonbeschneiungen einen Puffer ein, um eben das Wintererlebnis nicht zu trüben“, erläutert Harald Ruetz, Tauferers Kollege, und leitet damit zur nächsten Innovation der Bergbahnen Sölden über – der Digitalisierung des Schneemanagements, um damit auf Basis exakter Daten agieren zu können.

Zwischen 2014 und 2016 setzten die Bergbahnen Sölden gemeinsam mit der Firma Kässbohrer das Projekt SnowSAT um. Seitdem ermitteln die Pistengeräte nach der Grundbeschneiung in Echtzeit die tatsächliche Schneehöhe auf den Pisten mittels GPS- und LIDAR-Messungen, wobei in der Visualisierung des SnowSAT-Systems jedem Schneeerzeuger eine bestimmte Fläche und je nach vorhandener Schneemenge eine bestimmte Farbe zugewiesen wird. „Mittlerweile beruhen nur noch die Einstellwerte für die Grundbeschneiung auf dem Wissen und der Erfahrung des Schneimeisters“, erklärt Manuel Köll vom IT-Team der Bergbahnen Sölden. Die oben beschriebenen Einstellwerte werden in der Folge aus SnowSAT in das ebenfalls von Siemens bereitgestellte und auf WinCC basierende Schneemanagement übernommen. Hier wird das Volumen an Schneiwasser pro Zapfstelle angegeben, das für den entsprechend zugeteilten Pistenabschnitt eingesetzt werden muss. Ist die Schneifläche in der Folge mit den Pistengeräten befahrbar, werden die Livedaten zu den Messungen im Gelände in Echtzeit an das zentrale Leitsystem übertragen und mit den entsprechenden Sollwerten verglichen. „Die Lösung ermittelt anhand der Differenz die tatsächlich noch benötigten Volumina an Schneiwasser. Damit gewährleistet das System eine bedarfsgerechte, ressourcenschonende und kosteneffizientere Pistenvorbereitung“, fasst Harald Ruetz zusammen.

Die Pistengeräte können in Echtzeit die tatsächliche Schneehöhe auf den Pisten erfassen.

Verbindung mit Energiemanagement

Mit der Verbindung des Leitsystems der Schneeerzeuger mit dem Energiemanagement erhalten Mitarbeitende zudem eine präzise und visuell eindeutig aufbereitete Lastmanagement-Information zum Skigebiet. Dazu gehört u.a. die Anzahl der zusätzlichen Schneeerzeuger, die etwa der Antriebsstation einer Seilbahn zugewiesen werden können, unterteilt in die jeweiligen Abfahrten. Gleichzeitig ist aufgrund der Größe der Schneeanlage und der Anzahl der Schneeerzeuger eine Zuordnung zu den jeweiligen Abgängen mit freiem Auge nur bedingt möglich. Die Zuordnung übernehmen in der Visualisierung Farbbänder, wobei mit einem Klick abzulesen ist, auf welcher der insgesamt elf Pumpstationen individuelle Erzeuger hängen. In puncto Lastmanagement reichen die Diagramme bis zum Transformator, da die Maximalleistung unter Umständen erst hier erreicht wird. Manuel Köll: „Neben der Visualisierung, die auf dem Standardsetup ´ein Schneeerzeuger pro Zapfstelle´ basiert, sehen wir mit unserer Lösung immer den tatsächlichen Verbrauch im Feld – auch wenn Schneeerzeuger ohne Datenverbindung in Betrieb sind. Im Fall einer Näherung an die Leistungsgrenze wird sofort alarmiert.“

Schneemanagement auf Basis exakter Daten

Neben den eingangs erwähnten Viertelstunden-Spitzen sowie Einsparpotenzialen aufgrund des exakten Einsatzes der Schneeerzeuger gemäß gemessener Schneemenge gibt es einen weiteren wesentlichen Grund für ein erfolgreiches Energie- und Lastmanagement der gesamten Beschneiungsanlage. „Das Zeitfenster für eine erfolgreiche Grundbeschneiung unter idealen Umgebungsbedingungen beträgt mittlerweile klimatisch bedingt vor Weihnachten nicht mehr als eine Woche und ist oftmals kürzer“, schildert Maier.

Er fügt hinzu: „Käme es hier zu einer Überlastung und zu einem Ausfall der Schneeerzeuger, so ist eine neuerliche Inbetriebnahme bestenfalls Stunden später möglich. Und diese Stunden können uns, insbesondere wenn sich kein weiteres Zeitfenster auftut, tatsächlich den Saisonstart kosten.“

„Das Zeitfenster für eine erfolgreiche Grundbeschneiung unter idealen Umgebungsbedingungen beträgt mittlerweile klimatisch bedingt vor Weihnachten nicht mehr als eine Woche und ist oftmals kürzer.“

Michael Maier, stellvertretender Technischer Leiter der Bergbahnen Sölden


Bei den Bergbahnen Sölden war und ist man sich dieser Herausforderung
stets bewusst. Der eingeschlagene Weg, eine Kombination aus Technologieeinsatz und Digitalisierung, ermöglicht maximale Risikominimierung bei maximaler Energieeffizienz und Ressourcenschonung, die auch nicht mehr benötigte Schneetransporte durch die Pistengeräte inkludiert. Zudem liefern die unterschiedlichen Systeme den Bergbahnen Sölden wichtige Daten, die einerseits für Weiterentwicklungen, andererseits aber auch im öffentlichen Diskurs für Transparenz sorgen: „Die Anschlussleistung eines Schneeerzeugers wird ja bekanntermaßen mit einem Einfamilienhaus verglichen. Wir können aber gleichzeitig belegen, dass wir im Schnitt nur 4,5 Tage pro Gerät und Saison in Betrieb sind“, so Michael Maier. Und von der daraus resultierenden „weißen Pracht“ von Oktober bis Mai profitieren nicht nur die Mitarbeitenden und das Unternehmen, sondern auch die gesamte Region und die Urlaubenden.

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