Mehr Wettbewerbsfähigkeit durch virtuelle Inbetriebnahme
Mithilfe virtueller Inbetriebnahme konnte PIA Automation Austria GmbH die Stillstandszeiten für die Optimierung einer Kundenanlage von neun auf drei Wochen reduzieren. Das sorgt für Effizienzsteigerungen bei Projektplanung und -umsetzung sowie reduziert den benötigten Personal- und Ressourceneinsatz.
Mehr Wettbewerbsfähigkeit durch virtuelle Inbetriebnahme
PIA Automation Austria GmbH ist Teil der PIA-Gruppe, die an zwölf Standorten in sieben Ländern hochautomatisierte Produktionsanlagen herstellt. PIA betreut Kunden aus den Bereichen Mobilität, Industrie- und Konsumgüter sowie Gesundheitswesen mit Fokus auf innovative und zuverlässige Produktionssysteme mit effizienten Herstellungsprozessen.
Im Rahmen eines Projekts zur Produktionssteigerung einer bestehenden Montagelinie im Automotive-Bereich beschritt PIA Automation gemeinsam mit Siemens neue Wege. „Der konventionelle Umbau und die umfangreiche Neuprogrammierung der Anlage hätten zu einer branchenüblichen Stillstandszeit von rund neun Wochen geführt, was für unseren Kunden einen erheblichen Produktionsausfall bedeutet hätte. Wir haben uns deshalb für eine virtuelle Inbetriebnahme der kompletten Anlage entschieden und konnten dadurch den Produktionsstillstand auf nur drei Wochen reduzieren“, berichtet Wolfgang Weiss, Head of Engineering, PIA Automation Austria GmbH.
„Unsere Lösung zur virtuellen Inbetriebnahme verbindet Automatisierungstechnik mit PLM-Software, die Teil der Siemens-Xcelerator-Plattform ist“, erklärt Simon Holler, Key Account Manager Automotive bei Siemens Österreich. Siemens Xcelerator ermöglicht Kunden auf ein kuratiertes Portfolio an vernetzter Hard- und Software zuzugreifen sowie von einem leistungsstarken Partner-Ökosystem für die Weiterentwicklung und Umsetzung von Lösungen zu profitieren. Als langjähriger Siemens-Ökosystempartner hat die HATEC Automatisationsges.mbH, welche sich schon seit geraumer Zeit mit virtueller Inbetriebnahme beschäftigt, PIA Automation beim Aufbau des digitalen Zwillingsmodells und bei der fachspezifischen Befähigung des Ingenieurteams initial unterstützt.
Das Zusammenspiel unterschiedlicher digitaler Zwillinge sorgt für einen durchgängigen Signalfluss und ermöglicht, sämtliche Prozesse und Komponenten einer Fertigung präzise zu simulieren. Dank der umfassenden Prozess-Standardisierung bei PIA Automation konnte die Erstellung der digitalen Zwillinge vielfach automatisiert erfolgen, indem beispielsweise Variablen in unterschiedlichen Programmen basierend auf ihren einheitlichen Benennungen automatisch verknüpft werden konnten.
Präzise Simulation der Fertigung durch das Zusammenspiel unterschiedlicher digitaler Zwillinge.
Der digitale Zwilling der SPS-Steuerung, beispielsweise einer SIMATIC S7-1500, wird im Automation Model nachgebildet. Die Programmierung erfolgt über das TIA-Portal. Mit TIA (Totally Integrated Automation) lassen sich aufgrund des hohen Standardisierungsgrades Siemens-Steuerungen rasch und unkompliziert textuell oder grafisch programmieren und mit S7-PLCSIM Advanced emulieren. Das elektrische Verhaltensmodell, abgebildet durch die Simulationsplattform SIMIT, verarbeitet die Signale aus der Steuerung, beispielsweise zur Bewegung eines Antriebs. Die erfassten Werte, z.B. der Achsen, werden an Process Simulate übermittelt. Damit lassen sich 3D-Modelle von Produkten und Betriebsmittel wie Industrieroboter abbilden, um komplexe Fertigungsprozesse zu validieren oder zu optimieren sowie um virtuelle Inbetriebnahmen durchzuführen.
Mit dem digitalen Zwilling Produktionsanlagen schneller optimieren.
Grundsätzlich gilt, je später ein Fehler erkannt wird, desto exponentiell höher ist der Schaden. Mithilfe der virtuellen Inbetriebnahme lässt sich das jedoch leicht vermeiden. „Im Zuge des Validierungsprozesses haben wir festgestellt, dass wir die gewünschte Roboter-Taktzeit in Verbindung mit der Anlage mit der bestehenden Programmierung nicht erreichen würden. Ohne digitalen Zwilling hätten wir das erst bei der Inbetriebnahme bemerkt und die Anlage wäre länger als geplant stillgestanden. Wir haben daraufhin die SPS-Steuerung und das Roboterprogramm neu geschrieben und konnten somit frühzeitig die Anforderungen des Kunden, eine Halbierung der Taktzeit, erfüllen“, erklärt Weiss.
Weniger Abfall und Transportwege
Ein wesentlicher Vorteil der virtuellen Inbetriebnahme liegt darin, dass keine Hardware nachgebaut werden muss, was aufgrund des Single-Use-Materialeinsatzes weder nachhaltig noch ressourcenschonend ist. Für die Vorab-Inbetriebnahme verfügt der Anlagenbauer in der Regel nicht über sämtliche Prototypen der unterschiedlichen Produkte, die später auf der finalen Anlage gefertigt werden sollen. Ein Testlauf mit „echten“ Produkten erfolgt also sehr spät in der Inbetriebnahme. Bei der virtuellen Inbetriebnahme kann dagegen ein 3D-Modell des zu produzierenden Produkts verwendet werden. Im konkreten Projekt wurden in der virtuellen Welt 200 komplexe Produktionsteile in verschiedenen Produktvarianten vorab getestet.
„In der virtuellen Welt können wir unendlich viele Bauteile verbrauchen und sorgen dennoch für mehr Nachhaltigkeit beim Produktionsanlauf, weil weniger Abfall in der realen Welt anfällt. Auch Transportwege und die Reisetätigkeit von Mitarbeitenden können wir um ein Drittel oder mehr reduzieren, was Kosten spart und zu CO2-Reduktionen führt“, fasst Weiss die Vorteile zusammen.
Auch der Platzbedarf in der Produktionshalle des Maschinenbauers wird minimiert, weil nicht die gesamte Anlage aufgebaut werden muss, wodurch sich mehrere Projekte gleichzeitig durchführen lassen. Durch die Kombination von Automatisierungstechnik, Simulation und Visualisierung der echten Hardware lassen sich dennoch alle Szenarien und Konfigurationen bis ins kleinste Detail überprüfen und validieren.
Digital Twin Lab
Bei PIA Automation hat das Projekt rund um die Optimierung der Montagelinie – das aufgrund des hohen Automatisierungseinsatzes und -grades als eines der aktuell komplexesten seiner Art angesehen werden kann – zur Einrichtung eines „Digital Twin Lab“ geführt, das mit Softwarelösungen von Siemens ausgestattet ist.
„Hier werden wir die Weiterentwicklung digitaler Zwillinge forcieren, die auch künftig die kosten- und zeiteffiziente Planung und Inbetriebnahme von Produktionssystemen mit automatisierten Herstellungsprozessen gewährleisten sollen. Denn nur mit Digitalisierung und innovativer Technologie können sich europäische Unternehmen gegenüber der Konkurrenz im Ausland langfristig behaupten. Es gilt, mit Hilfe flexibler und effizienter Digitalisierungslösungen konventionelle Prozesse aufzubrechen und neu zu gestalten. Im Zuge dieses erfolgreichen Projekts ist bei PIA ein weiterer wesentlicher Schritt geschafft“, ist Weiss überzeugt.