Diverse Team of Industrial Robotics Engineers Gathered Around Table With Robot Arm, They Manipulate and Program it to Pick Up and Move Metal Component. © Adobe Stock

Siemens

16.12.2025

Lesezeit 18 Min

Forschung & Entwicklung

Siemens

16.12.2025

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Schritt für Schritt Beziehungen aufbauen

Was es zum Aufbau einer langfristigen Arbeitsbeziehung zwischen Unternehmen und Universitäten braucht.

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Schritt für Schritt Beziehungen aufbauen

Gemeinsam eine kritische Masse zur Bewältigung von Zukunftsthemen aufbauen möchte Siemens Österreich künftig im Verbund mit der TU Graz, der Montanuniversität Leoben und der TU Wien. Mitte September 2025 wurde das neue Siemens Research and Innovation Ecosystem RIE AUT angekündigt. Auf die Frage, wie weit man mit Verträgen und Budgets sei, hielt Mirjam Storim, Head of Strategy & Technology bei Siemens Foundational Technologies, fest, dass man häufig zusammensitze, um Erwartungen und Kompetenzen übereinanderzulegen. Abstimmung und gemeinsame Ideenentwicklung seien ein Prozess, der Zeit benötige. Gewachsen ist das Vorhaben aus einzelnen Kooperationen in Wien, Graz und Leoben. hi!tech hat bei beteiligten Forscher:innen und Manager:innen erfragt, was der Aufbau einer tragfähigen, vertrauensvollen Arbeitsbeziehung braucht, was sie empfehlen und wie unterschiedliche Kulturen zusammenfinden.

Forschungs-Ökosystem

Ein Forschungs-Ökosystem basiert auf dem Aufbau einer Kooperationsbeziehung. Bei Michael Heiss, Principal Consultant Digitalization bei Siemens, und Friedrich Bleicher, Leiter des Instituts für Fertigungstechnik und Photonische Technologien der TU Wien, spürt man, dass sie einander schätzen und die Gedanken des jeweils anderen gerne weiterführen. In den vergangenen fünf Jahren haben sie „technische Empathie“ aufgebaut, um Innovationen voranzutreiben. Technische Empathie klingt wie ein Widerspruch, aber für das „Tandem“ bringt es Treibstoff und Kitt der Zusammenarbeit auf den Punkt. Es handelt sich um eine Art Dolmetschfähigkeit zwischen den beteiligten Institutionen und geglückte gegenseitige Perspektivübernahme und Anerkennung: „Die Universität muss verstehen, in den Themen der Industrie zu denken. Die Industrie muss die Möglichkeiten der Universität sehen, erkennen und abholen“, so Friedrich Bleicher. Für den langjährigen Institutsvorstand muss die Uni in der Lage sein, den Kundennutzen zu durchdringen und ihre Erkenntnisse so aufzubereiten, „dass das Management diese Forschung als Zukunftsthema ansieht und auch als marktfähig einstufen kann.“ Und Michael Heiss ergänzt: „Wir brauchen anwendungsorientierte Forschung, ich nenne sie Use- Case-Forschung, die vielen unserer Kunden nützt und einfach für verschiedene Bedarfe angepasst werden kann.“

Portraitfoto Michael Heiss, Siemens, Principal Consultant Digitalization © Siemens

“Wir brauchen anwendungsorientierte Forschung, ich nenne sie Use-Case- Forschung, die vielen unserer Kunden nützt und einfach für verschiedene Bedarfe angepasst werden kann.“

Michael Heiss, Principal Consultant Digitalization, Siemens

Technische Empathie beugt Missverständnissen vor und unterstützt eine gemeinsame Vision und Zielsetzung. Sie wird gestützt vom gegenseitigen Vertrauen. Schließlich geht es bei Innovation – gerade bei einem Wettbewerbsvorteil – oft um vertrauliche Inhalte, die gemeinsam entwickelt werden sollen. Der Schlüssel zur guten Kooperation waren für Michael Heiss, der sich auch an der Universität mit Innovationsmanagement beschäftigt hat, „menschliche Gateways“: „Friedrich Bleicher gelingt es seit vielen Jahren, Menschen aus der Industrie zurück an die Universität zu holen. Sie kennen beide Welten und verstehen die Notwendigkeiten.“

Porträtfoto von Friedrich Bleicher von der TU Wien © TU Wien

“Die Universität muss verstehen, in den Themen der Industrie zu denken. Die Industrie muss die Möglichkeiten der Universität sehen, erkennen und abholen.“

Friedrich Bleicher, Leiter des Instituts für Fertigungstechnik und Photonische Technologien, TU Wien

Weder für Michael Heiss noch für Friedrich Bleicher ist das Bild von Wachstum und Pflege einer Beziehung weit hergeholt. Beide finden es wichtig, offen über Erwartungen und wunde Punkte zu sprechen, um Vertrauen aufzubauen. Das kann nicht allein mit Verträgen abgedeckt werden. In dieselbe Kerbe schlägt Philipp Lill, Führungskraft für die weltweiten Aktivitäten im Forschungs- und Innovationsökosystem bei Siemens: „Menschliche Aspekte sind das Wichtigste für eine gute Zusammenarbeit, aber oft schwer messbar.“ Am Ende kooperieren nicht Institutionen miteinander, sondern „die Martina mit dem Stefan“, wie er sagt. Wenn die Chemie zwischen den Leuten, die Tag für Tag an Projekten arbeiten und gemeinsam Neues schaffen sollen, nicht stimmt, kommt nichts Sinnvolles heraus. Führungskräfte sind gefordert, gute Entscheidungen für diese Konstellationen zu treffen, damit es klappen kann. Man muss kein Bier miteinander trinken wollen, aber in der Sache gut vorankommen. Für den Global Head of Siemens Research and Innovation Ecosystem steht am Beginn – bei allen digitalen Möglichkeiten – die persönliche Begegnung und dabei „die gleiche Luft zu atmen“. Weiters zum Grundlegenden gehört, wechselseitige Erwartungshaltungen klarzumachen und sich zu vergewissern, was das jeweilige Gegenüber aus einer Partnerschaft ziehen möchte. Wenn man nicht darüber redet, werden gerne Annahmen getroffen oder Dinge unterstellt.

Trotz Unterschieden gemeinsam Probleme lösen

Die Forschungsfinanzierung eines Industrieunternehmens unterscheidet sich von der einer Universität. In der Industrie gibt es im Regelfall finanzielle Mittel zur Umsetzung, wenn etwas als sinnvoll erachtet wurde. Universitäten brauchen heute Drittmittel und zwar nicht punktuell, sondern in Form eines längerfristigen Forschungsprojekts mit einer ausfinanzierten Person. Das Engagement über drei bis fünf Jahre ist wiederum ein langer Horizont für die Industrie, weil sie künftige Bedürfnisse noch nicht kennt. Jedenfalls sollte die Universität nicht mit einer verlängerten Werkbank verwechselt werden, wo man etwas bestellt.

Auf Ebene der Personen sind die kulturellen Unterschiede aber meist nicht so gravierend „weil Forschende an der Uni und im R&D-Team von Siemens ein großes Interesse daran haben, ein Problem zu lösen“, so Lill. Wichtig ist vorab festzuhalten, wie Veröffentlichungen und Intellectual Property gehandhabt werden sollen. Philipp Lill: „Das geht sich oft gut aus, wenn darüber geredet wurde. Die kommerzielle Nutzung der Patente liegt im Regelfall bei Siemens.
Mit Vertragswerken haben wir schon einige Erfahrungen, da muss das Rad nicht neu erfunden werden.“

Wie Matchmaking und Investitionen – quasi eine arrangierte Ehe samt Mitgift – ein Forschungs-Ökosystem unterstützen, wissen Barbara Mayer, Teamlead Standardization & Innovation bei Siemens in Graz, und Renato Sarc, Assistenzprofessor am Lehrstuhl für Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft der Montanuniversität Leoben. Siemens engagiert sich seit 2021 in der kooperativen Infrastruktur des Digital Waste Research Lab mit digitaler Steuerung.

Renato Sarc, Montanuni Leoben © Montanuniversität Leoben/AVAW

“Gemeinsam mit Siemens haben wir das größte heimische abfallwirtschaftliche Projekt umgesetzt.“

Renato Sarc, Assistenzprofessor am Lehrstuhl für Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft, Montanuniversität Leoben

Im Projekt ReWaste kommt der Ökosystem- Gedanke gut zum Tragen: „Hier kooperieren 18 Partner in einem Konsortium. Wir haben vorab genau besprochen, welcher Partner was abdecken kann, ob unser Baukasten vollständig ist oder wir weitere Expertise hereinholen müssen“, so Mayer. Schon vor der Antragsstellung gestaltete Renato Sarc mehrstündige Workshops, in denen Vision, Strategie und Aufgaben abgestimmt wurden. Nicht nur das „was“, sondern auch das „warum“ der Zusammenarbeit wurde geklärt, „damit das Ökosystem rund wird“, wie Barbara Mayer es nennt, und „man sich nicht gegenseitig auf die Füße tritt“. Das Konsortium deckt gemeinsam die gesamte Wertschöpfungskette der Abfallwirtschaft von Maschinenpark über Sensorik, Entsorgung, Planung und Normung bis zur Kundensicht ab. Balance entsteht, weil jeder Partner etwas einbringt und keiner alles hat. Mit mehreren Millionen Euro wird bis 2025 ein Team beschäftigt und viele Versuche werden umgesetzt, wobei aus der experimentellen Forschung alle Player einen Nutzen ziehen sollen. Im Konsortium, bestehend aus großen, mittleren und kleinen Einheiten, verliert der jeweilige finanzielle Beitrag gegenüber dem inhaltlichen Engagement an Bedeutung. Weil es in der Forschung keine Garantien gibt und der Markt dynamisch ist, müssen alle eine gewisse Anpassungsfähigkeit zeigen – Matchmaking ja, aber Stellschrauben müssen weitergedreht werden.

Portraitfoto von Barbara Mayer, Teamlead Standardization&Innovation im Bereich Sense and Act, Siemens Österreich © Siemens

“Durch unsere Zusammenarbeit haben wir einen Prototyp in einem vollwertigen Versuchsraum geschaffen, wo Partner von der Planung bis zum Abnehmer ihre Perspektive eingebracht haben.“

Barbara Mayer, Teamlead Standardization & Innovation, Siemens

Die längste Partnerschaft, gute zehn Jahre, hat Siemens mit der TU Graz. Andrea Höglinger, Vizerektorin für Forschung, betont die nötige Offenheit auf Leitungsebene: „Ein Ziel der TU Graz ist es, einen Impact auf Unternehmensseite zu erreichen. Universitäten kosten viel, bringen aber auch exzellente Leistung für die Wirtschaft und deren Wertschöpfung.“ Zudem erwähnt sie weitere unverzichtbare Aspekte einer gut abgestimmten Partnerschaft: Mehrwert für beide Seiten schaffen, Toptalente ausbilden und Toparbeitsplätze in der Region zu haben. Auch am Standort Graz spielt gemeinsame Infrastruktur mit Prüfständen und Prüfhallen eine große Rolle. Höglinger gibt zu bedenken: „Wir können im RIE AUT unsere unschlagbaren Kompetenzprofile vereinen, gemeinsam haben wir eine wesentlich größere kritische Masse und damit auch mehr Sichtbarkeit.“ Auf Siemens-Seite bestätigt Harald Loos, dass es in einem Vertragsframework Regelungen für viele Fälle gibt, „entscheidend sind aber der Dialog und die Vertrauensbasis. Es kann Konflikte geben, es können kleine Fehler passieren, aber zur Lösung braucht man dann keine Anwälte. Siemens ist es als B2B-Anbieter gewohnt, mit verschiedenen Strukturen und Geschäftsfeldern umzugehen – das hilft sicher.“ Die gute Basis zur TU Graz sieht Loos als Leiter der zentralen Forschungseinheit bei Siemens Österreich als Rolemodel für das neu geschaffene Ökosystem.

Andrea Höglinger, Vizerektorin für Forschung, TU Graz © TU Graz/Lunghammer

“Ein Ziel der TU Graz ist es, einen Impact auf Unternehmensseite zu erreichen. Universitäten kosten viel, bringen aber auch exzellente Leistung für die Wirtschaft und deren Wertschöpfung.“

Andrea Höglinger, Vizerektorin für Forschung, TU Graz

Christoph Adametz, an der TU Graz Leiter des Forschungs- & Technologiehauses, nennt ein Beispiel für wechselseitige Befruchtung: „Siemens hat uns zu organisatorischen Innovationen angeregt und so wurde erstmals ein Key Account Management implementiert. Zudem haben wir begonnen, die handelnden Forscher:innen auf beiden Seiten mehr ins Rampenlicht zu stellen. Die zentrale Botschaft dabei: verschiedene Welten – ein gemeinsames Ziel.“ Sich gegenseitig wertzuschätzen, zu Vorträgen einzuladen und zum Beispiel auf Tagungen zu zeigen, gehört dazu. In einer Beziehung wäre es eine klare red flag, wenn man mit jemandem zusammen ist, ihn oder sie aber dem Freundeskreis nicht vorstellt. Wenn ein breit aufgestelltes Technologieunternehmen und eine breit aufgestellte technische Uni zusammenarbeiten, kann man den Fächer an Kooperationsformaten weit aufmachen, von klein bis groß, sagt Christoph Adametz.

Christoph Adametz, TU Graz © TU Graz Lunghammer

“Siemens hat uns zu organisatorischen Innovationen angeregt. Zudem haben wir begonnen, die handelnden Forscher:innen auf beiden Seiten mehr ins Rampenlicht zu stellen. Die zentrale Botschaft dabei: verschiedene Welten – ein gemeinsames Ziel.“

Christoph Adametz, Leiter des Forschungs- & Technologiehauses, TU Graz

Regelmäßige Projekttreffen sollten nicht zu unübersichtlich werden, weder bei der Zeit noch der Personenanzahl. Zu den RIE-AUT-Terminen schicken alle gleich viele Gesandte, niemand hat einen Informationsvorsprung, es gibt keine Geheimabsprachen, sondern der Horizont wird Schritt für Schritt gemeinsam angepeilt. Regelmäßige Management Board Meetings können auch als Ritual wirken, um sich über Marktentwicklungen, aber auch Befindlichkeiten auszutauschen und Meilensteine zu feiern. Der Mehrwert von RIE AUT liegt in der Vernetzung der Partner untereinander, darin sind sich alle Interviewten einig. Es ist eine zukunftsweisende Entscheidung, um angesichts immer kürzerer Innovationszyklen und globaler Herausforderungen wie etwa Klimawandel kundenorientierte und skalierbare Lösungen zu entwickeln. Weil die Beziehung sich noch im Entstehen befindet, formuliert Philipp Lill einen vorsichtigen Ausblick: „Wir wollen versuchen, die Stärken aller Partner zu nutzen. Der Mehrwert des Ökosystems ist die Verzahnung untereinander, um wichtige und große Themen vernetzt, breit und umfassend bearbeiten zu können. Nicht nur spezifisch zugeschnittene Forschung mit einzelnen Partnern zu machen, sondern Schwerpunktthemen größer zu formulieren, Kräfte zu bündeln und so noch mal mehr Schlagkraft zu erreichen.“

Portraitfoto Philipp Lill, Siemens, Global Head of Siemens Research and Innovation Ecosystem © Privat

“Wir wollen versuchen, die Stärken aller Partner zu nutzen. Der Mehrwert des Ökosystems ist die Verzahnung untereinander, um wichtige und große Themen vernetzt, breit und umfassend bearbeiten zu können.“

Philipp Lill, Global Head of Siemens Research and Innovation Ecosystem

Infobox

Von RIE Graz zu RIE AUT

Innovation und Zusammenarbeit sind der Schlüssel zu einer nachhaltigen Welt. Im Siemens-Research-and- Innovation-Ecosystem(RIE)-Programm gehen wir die Herausforderungen von heute mit den Technologien von morgen auf kollaborative Weise an. Siemens-Expert:innen forschen gemeinsam mit Universitäten, Forschungsinstituten, akademischen Start-ups, Tech-Inkubatoren und Kunden rund um den Globus in 16 lokalen Innovationsökosystemen – global vernetzt und regional verankert. Abgestimmt auf das Technologieportfolio von Siemens betreiben wir in diesen Ökosystemen exzellente Forschung mit dem Ziel, Produkte, Lösungen und Dienstleistungen für unsere Kunden zu entwickeln, die sie leistungsfähiger, erfolgreicher und gleichzeitig nachhaltiger machen, und die Entwicklung von Talenten zu fördern.

Im Herbst 2025 wurde die langjährige Partnerschaft mit der Technischen Universität Graz (RIE Graz) um die Montanuniversität Leoben und die Technische Universität Wien ausgeweitet. Die erweiterte strategische Partnerschaft RIE AUT wird sich auf Schlüsselthemen wie nachhaltige Mobilität, energieeffiziente Produktion und digitale Transformation konzentrieren. Dies markiert einen bedeutenden Meilenstein für die Forschungslandschaft Österreichs.

Keyvisual/Grafik Siemens Research and Innovation Ecosystem© Siemens

Die bisherige Zusammenarbeit zwischen Siemens und der TU Graz hat bereits bemerkenswerte Ergebnisse hervorgebracht. So entwickelten die Partner beispielsweise energieeffiziente Leichtbaukomponenten für Züge und integrierten Digital-Twin- Technologien in Materialentwicklungsprozesse, was Innovationszyklen beschleunigt und Ressourcenverbrauch reduziert. Ein Durchbruch gelang mit einem revolutionären System zur Materialfehlererkennung in der smartfactory@TUGraz. Durch den Einsatz von SINUMERIKWerkzeugmaschinensteuerungen als virtuelle Sensoren werden kleinste Materialdefekte während des Fräsprozesses ohne externe Sensoren erkannt – eine Technologie, die sogar einen Weltrekord aufstellte.

Interview

Kraftfeld Kooperation

Im Gespräch mit Brigitta Hager, Unternehmensberaterin, Coach, Trainerin und Seniorpartnerin von Trigon Entwicklungsberatung, über Rahmenbedingungen für gelingende Kooperationen zwischen Technologieunternehmen und Technischen Universitäten.

Wie offen ist die Industrie für solche Kooperationen?

Hager: Der Bedarf und der Wille zur Kooperation nehmen angesichts der Herausforderungen zu. Friedrich Glasl hat 1993 als vierte Entwicklungsphase von Organisationen die Assoziationsphase beschrieben. Damals erschien es utopisch, dass Unternehmen sich als Teil eines Ökosystems sehen und mit dem Mitbewerb kooperieren. Wichtig ist, Kooperation und Konkurrenz als Polarität zu begreifen, als Spannungsfeld, das gemanagt werden muss. Polaritäten sind notwendige Gegensätze, die einander bedingen und Quelle von Entwicklung sind. Bei der Kooperation gilt es Unterschiede in der jeweiligen Organisationskultur zu beachten wie etwa Entscheidungsprozesse, Umsetzungsgeschwindigkeit, stabile Personalbindung, Führungsverständnis, Planungssicherheit, Stellenwert von Wissen und Erfahrung oder Kund:innenverständnis.

Brigitta Hager_Trigon Entwicklungsberatung, Unternehmensberaterin, Coach, Trainerin und Seniorpartnerin© S. Philipp

Mag. Brigitta Hager ist Unternehmensberaterin, Coach, Trainerin und Seniorpartnerin von Trigon Entwicklungsberatung. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Reorganisation und Neuausrichtung von Unternehmen, Leadership Development, Bereichs- und Teamentwicklung, Organisationsentwicklungs-Qualifikationen und Konfliktberatung. Zu ihren Kund:innen gehören Industriebetriebe, Öffentliche Verwaltung, Sozialorganisationen, Handel, Dienstleistungsunternehmen und Bildungseinrichtungen.

Was sind Erfolgsfaktoren für einen Beziehungsaufbau?

Die Lösung von Sachthemen funktioniert nicht ohne Beziehungsarbeit. Es braucht die Bereitschaft aller Beteiligten, neben den Sachthemen auch die Zusammenarbeit zu reflektieren und wenige klare Spielregeln aufzustellen, die von allen Beteiligten gelebt werden. Augenhöhe, Respekt, Offenheit für Ideen und neue Sichtweisen sowie gemeinsame Lösungssuche gehören dazu. Ohne Vertrauensvorschuss kommt eine Kooperation nicht in ein produktives Fließen. Die Nutzenerwartung muss zu Beginn der Kooperation klar erarbeitet und von allen akzeptiert werden. Bei Kooperationsentscheidungen sind alle gleichberechtigt, Entscheidungsprozesse werden transparent gestaltet.

Woran scheitern die meisten Kooperationen?

Zu den Klassikern gehören der Missbrauch für die Verwirklichung persönlicher Ziele, unethische Praktiken oder Opportunismus. Auch Machtspiele auf der „Hinterbühne“ der beteiligten Unternehmen und Universitäten bringen die Kooperation zu Fall. Kriseln kann es auch, wenn Wissen oder Informationen zurückgehalten werden, persönliche Konflikte eskalieren oder es zu einer strategischen Neuausrichtung, Budgetkürzungen bzw. geänderten Eigentums- oder Entscheidungsstrukturen kommt.

Was sind Warnsignale?

Wenn Endlosschleifen beim Diskutieren nebensächlicher Themen gedreht und Entscheidungen aufgeschoben werden. Wenn Stellvertreter:innen ohne Entscheidungsbefugnis am Tisch sitzen oder es eine hohe Fluktuation von Mitgliedern des Kooperationsteams gibt, ist oft der Wurm drin.