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Kleines Netz, große Wirkung

Siemens Campus Microgrid – ein umfassendes, intelligentes System zur Energieoptimierung.

Nachhaltigkeit

26.03.2020

Lesezeit 6 Min

Christian Lettner

Ende 2019 wurde auf dem Gelände der Siemens City in Wien mit der Errichtung des Siemens Campus Microgrid mit den Bestandteilen PV-Anlage, Batteriespeicher und Elektroladestationen begonnen. Ab Sommer 2020 werden diese Komponenten ein intelligentes System zur Optimierung des Energie- und Wärmbezugsmanagements des Unter­nehmensareals bilden. „Die Be­standteile des Microgrid werden von ei­nem intelligenten Microgrid-Controller angesteuert, der die zentrale Orchestrie­rung der angebundenen Assets über­nimmt und die Elektrizitätsversorgung in Hinblick auf Lastspitzen bzw. Netz­auslastung sowie weiterer Einflusspara­meter in Abhängigkeit der Eigenerzeu­gung optimiert“, so Werner Brandauer, Digital Grid, Siemens Smart Infrastruc­ture, der in den USA zu Microgrids ge­forscht hat und maßgeblich an der Pla­nung des Projekts beteiligt war. Zusätzlich wird das Siemens-Gebäu­demanagementsystem Desigo in das Mi­crogrid eingebunden, sodass zum Bei­spiel bei Lastspitzen die Wärmebereitstellung im Hauptgebäude angepasst werden kann, um den Leistungsbezug des Objekts zu optimieren.

Die gewonnenen Messdaten werden in der Siemens-IoT-Plattform gesammelt und bieten einen wertvollen Pool, um das Verbrauchsmanagement unter Anwen­dung von Data-Analytics-Lösungen zu op­timieren. Das Projekt ist in Verbindung mit der Infrastruktur eines bestehenden Industriebetriebs in der Kombination PV, Batteriespeicher, Microgrid-Controller, Laststeuerung und optimierte Ladelösun­gen für Elektromobilität einzigartig und bietet zahlreiche Möglichkeiten für inno­vative Forschung.

Ladesäule© Siemens
Auch eine umfassende Ladeinfrastruktur wird am Firmengelände errichtet. (Copyright: Siemens)

Auch das Siemens-Campus-Microgrid-Projekt in Wien hat die Perspektive, Fle­xibilität über Aggregatoren am Strom­markt anzubieten. Schon früher im Projektverlauf anvisiert wird, zu zeigen, wie mit einem Stromspeicher Lastspit­zen beim Bezug elektrischer Energie aus dem Versorgungsnetz innerhalb eines Campusses durch die Bereitstellung und Verwendung hochaufgelöster Messwerte reduziert werden können. „Dies entlastet das übergeordnete Verteilernetz und mi­nimiert gleichzeitig die leistungsabhän­gigen Tarife, die für das Stromnetz be­zahlt werden müssen. Außerdem soll der Batteriespeicher, der in dieser Form erst­mals in Europa zum Einsatz kommt, auch am Regelenergiemarkt teilnehmen, wo Regelreserven gehandelt werden“, er­klärt Robert Tesch, der Leiter der Einheit Digital Grid und Distribution Systems für Siemens in Österreich und CEE.

Dieser Showcase von Siemens Öster­reich zeigt auch, wie ein Microgrid dazu beitragen kann, Elektromobilität in das bestehende lokale Verteilnetz zu integrie­ren, ohne einen zusätzlichen Netzausbau durchführen zu müssen. Dies wird durch intelligente Komponenten zur Laststeue­rung ermöglicht. „Ansonsten würde eine zusätzliche Installation von Elektrolade­stellen direkt zu steigenden Netztarifen bzw. Leistungstarifen führen, die durch eine intelligente Regelung vermieden werden können“, macht Werner Brandau­er deutlich. Dabei wird ein großer Teil der Ladestellen gemessen und gesteuert, so­dass daraus etwa Informationen zum Ladeverhalten der Fahrzeuge gewonnen werden können. Im Rahmen der Elektromobilitäts-Ladeinfrastruktur wird auch eine modulare Sammel­schienenlösung (TOB-Charge) für Gara­gen umgesetzt. Die Elektro-Ladeinfra­struktur kann somit organisch mit der Entwicklung der Elektromobilität mit­wachsen.

Detailansicht einer Sicharge-Ladesäule von Siemens© Siemens
Ein großer Teil der Ladestellen im Campus Microgrid wird gemessen und gesteuert. Das generiert u.a. Daten zum Ladeverhalten der Fahrzeuge. (Copyright: Siemens)

Nutzen von Microgrids

Doch woher kommt eigentlich die Mo­tivation, eigene Netzbereiche optimiert zu betreiben, und welche Vorteile können daraus entstehen? „Der zukünftig noch weiter steigende Bedarf an elektrischer Energie – hauptsächlich getrieben durch die Sektorkopplung, einerseits mit Elekt­romobilität, andererseits im Bereich der Wärmeversorgung -, die zunehmende Dezentralisierung der Energieerzeugung sowie das dargebotsabhängige fluktuie­rende Angebot führen zu immer größer werdenden Herausforderungen bei der si­cheren und zuverlässigen Bereitstellung elektrischer Energie“, erläutert Gerd Poll­hammer, Leiter Siemens Smart Infra­structure Österreich und CEE. „Dazu kommt die immer dringender werdende Notwendigkeit für Unternehmen, ihren CO2-Footprint und Energiehaushalt zu optimieren“, fügt Pollhammer hinzu. Mi­crogrid-Lösungen sind eine Antwort auf diese Herausforderungen, indem sie über die Eigenenergieerzeugung (PV) und Op­timierung des Energieverbrauchs dazu beitragen, Versorgungsengpässe und Lastspitzen, die das Versorgungsnetz be­lasten, zu vermeiden.

Durch die Dezentralisierung des Ener­giesystems wird auch das Elektrizitätssys­tem immer flexibler. Einerseits für den in­dustriellen Bereich und andererseits für Campusse sowie größere Gewerbebetrie­be wird es immer interessanter, Flexibili­tät, die durch intelligente Optimierungs­lösungen geschaffen wird, zu managen und zu vermarkten. Insbesondere die Thematik der Leistungsspitzenreduktion bzw. die Anpassung des Energiebedarfs an die Kosten am Spotmarkt bzw. die Be­reitstellung von Flexibilität am Regelener­giemarkt werden in Zukunft ein Treiber für diese Entwicklung sein.

Lastspitzen reduzieren

Reales Anschauungsbeispiel inklusive Elektromobilität

Mit dem Campus Microgrid schafft Siemens Österreich – durch die langjäh­rige Expertise und Erfahrung von Sie­mens Smart Infrastructure in den Berei­chen Gebäudemanagement und Stromnetz – ein eindrucksvolles An­schauungsbeispiel, mit dem man Kun­den unter anderem das Verhalten und den Nutzen von Microgrid-Lösungen in­klusive Elektromobilität im Realbetrieb demonstrieren kann.

Neben den bereits erwähnten Beson­derheiten des Projekts ist auch die ge­plante Pilotinstallation für die Kommuni­kation zwischen den Microgrid-Assets zu nennen. Diese wird über ein Pre5G-Cam­pus-Netzwerk erfolgen, das heißt, dass für die Microgrid-Kommunikation ein de­dizierter Frequenzbereich zur Verfügung steht. Damit können die Informationen zwischen den Controllern und den Mess­stellen bzw. Ladepunkten sicher und mit garantierter Datenrate sowie niedriger Verzögerung ausgetauscht werden. „In Zusammenarbeit mit den Partnern Nokia und A1 zeigen wir, wie zukünftig Micro­grids die Vorteile der 5G-Technologie nutzen und mit wenig Verkabelungsauf­wand und kurzen Übertragungszeiten realisiert werden können“, so Brandauer.

Teil des Siemens Campus Microgrid ist auch ein Kreislaufwirtschaftsprojekt unter Einbeziehung von Siemens-Lehr­lingen, das in das Gesamtvorhaben integ­riert ist. In einem Labor­versuch soll getestet werden, wie Akkus aus Brandmeldeanlagen, die zyklisch alle zwei Jahre ausgetauscht werden, wieder­verwendet und in eine autonome E-Lade­station mit Photovoltaikversorgung inte­griert werden können.

Über den Autor

Christian Lettner
Chefredakteur hi!tech