Biogasanlagen als Player am Energiemarkt
Mit Industrial-Edge-Technologie werden Biogasanlagen zu Teilnehmern am Regelenergiemarkt.
Siemens
Die im niederösterreichischen Lichtenegg ansässige Projektplanungs- Beratungs- und Entwicklungs GmbH (PBEG) beschäftigt sich seit 2006 mit neuen Ideen, Strategien und modernster Technologie für landwirtschaftliche Betriebe sowie für den Einsatz erneuerbarer Energieträger. Dazu gehört auch die Betreuung von Biogasanlagen – im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung konnte hier die Vermarktung der in diesen Anlagen erzeugten Regelenergie realisiert werden. Um mit ihren Kunden am Regelenergiemarkt erfolgreich zu sein, vertraut PBEG auf Industrial-Edge-Technologie von Siemens.
„Biogasanlagen haben schon immer zum Tätigkeitsfeld der PBEG gehört. Nach der Unternehmensgründung haben wir uns etwa vorrangig mit dem Bau sowie der umfassenden Betreuung derartiger Anlagen beschäftigt, also von der Projektierung bis zur Inbetriebnahme und der laufenden Betreuung“, erklärt Erich Mandl, Geschäftsführer des Unternehmens, das er gemeinsam mit Christian Gremel und Johann Handler führt. 24 Mitarbeitende stehen den Kunden für Projekte rund um die bereits erwähnten Biogasanlagen und viele weitere Themen zur Verfügung. Zu den vielfältigen Aktivitäten zählen etwa auch Satelliten-Blockheizkraftwerke, Gärrestaufbereitung, Holzgas für die Strom- und Wärmeerzeugung, Nahwärme bzw. Mikronetze, Photovoltaik- und Lebensmittelproduktionsanlagen.
„Biogasanlagen werden mit organisch abbaubaren Stoffen befüllt, am Schluss entsteht Methan, das zwischengespeichert werden kann“, erklärt Christian Gremel. Biogasanlagen sind imstande, eine sogenannte Bandlast an Strom zu produzieren. Damit hebt der Geschäftsführer einen wesentlichen Unterschied gegenüber anderen erneuerbaren Energieträgern wie Wind- und Sonnenenergie hervor: Es wird – wetter- und witterungsunabhängig – immer die gleiche Menge an Strom pro Stunde generiert. Zusätzlich kann die Stromproduktion der Biogasanlage zur Stabilisierung des Stromnetzes bei Bedarf innerhalb weniger Minuten erhöht oder reduziert werden.
Denn der intensive Ausbau der erneuerbaren Energieträger bedeutet auch eine zusätzliche Belastung des Stromnetzes, was in den Schwankungen der Netzfrequenz ersichtlich wird. Biogasanlagen können das Stromnetz stabilisieren. Man spricht hier von positiver und negativer Regelenergie, mit der solche Schwankungen ausgeglichen werden können. „Mit der von uns in Zusammenarbeit mit Siemens angebotenen Technologie ermöglichen wir unseren Kunden – unabhängig von der Größe der Biogasanlage – die Teilnahme am Regelenergiemarkt. Damit können sie sich ein zusätzliches wirtschaftliches Standbein schaffen“, so Gremel.
„Mit der von uns in Zusammenarbeit mit Siemens angebotenen Technologie ermöglichen wir unseren Kunden mit Biogasanlagen die Teilnahme am Regelenergiemarkt.“
Christian Gremel, Geschäftsführer PBEG
Mit Partnern zum Erfolg
Bei PBEG wurde daraufhin die Entwicklung weiter vorangetrieben: Mit dem Strom-Pool-Manager, der gemeinsam mit dem Partner B-SEC better secure KG entwickelt wurde, konnte eine zentralisierte Plattform für den Handel mit Regelenergie geschaffen werden. Die Betreiber der Biogasanlagen können im Strom-Pool- Manager im Voraus bekanntgeben, wann und in welchem Leistungsbereich die Anlage für einen Regelenergieabruf zur Verfügung steht. Der Strom-Pool-Manager ermöglicht den Regelenergiehändlern in der Folge das Abrufen von positiver oder negativer Regelenergie aus Biogasanlagen. Um die Kommunikation der Biogasanlagen mit dem Strom-Pool-Manager zu gewährleisten, vertraute man auf Siemens. „In gemeinsamen Gesprächen wurde rasch klar, dass Industrial-Edge-Technologie als Brücke zwischen den Biogasanlagen aus der OT-Welt und unserem Strom-Pool-Manager aus der IT-Welt fungieren könnte“, fasst Josef Mandl zusammen, zuständig bei PBEG für den Bereich Mechatronik und Steuerungstechnik.
Martin Feischl, Global-Sales-Manager für IT/OT-Integration bei Siemens, ist seit der ersten Kontaktaufnahme des Kunden beim entsprechenden Pilotprojekt involviert, das mehrere Biogasanlagen in unterschiedlichen Bundesländern umfasst. „Steuerungen sind in der Regel 20 bis 30 Jahre lang in Betrieb. Somit ist die Automatisierungstechnik, die in den von PBEG betreuten Biogasanlagen installiert ist, als sehr heterogen einzustufen“, weiß der Global-Sales-Manager und fügt hinzu: „Um die Steuerungen, die sich potenziell alle in puncto Produktgeneration und Hersteller unterscheiden können, auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, verwenden wir die Siemens-Industrial-Edge-Technologie.“
„Sogenannte Industrial-Edge-Devices können sich mit fast allen Steuerungen verbinden und von ihnen Daten beziehen. Diese können in der Folge etwa in einem Dashboard abgebildet oder an einen Server verschickt werden“, erklärt Ahmet Sert, Sales Specialist Siemens Industrial Edge. Dazu muss lediglich ein Stück Hardware verbaut werden. Im Fall der Partnerschaft zwischen PBEG und Siemens sorgen die in den Biogasanlagen installierten Industrial-Edge-Devices mittels einer kleinen containerisierten App für die Kommunikation zwischen den Steuerungen und dem übergeordneten System – dem Strom-Pool-Manager von PBEG.
„Die teilnehmenden Betreiber loggen sich in diesem digitalen Verwaltungstool ein und geben anhand von 4-Stunden-Einheiten bekannt, wann und in welchem Ausmaß ihre Biogasanlagen zur Verfügung stehen“, so Josef Mandl. Dazu erklärt er: „Die Austrian Power Grid (APG) hält das Stromnetz durch positive und negative Regelenergie konstant auf 50 Hertz und schützt es so vor Fluktuationen und Ausfällen. Biogasanlagen können dazu einen wesentlichen Beitrag leisten, da sie Methangas zwischenspeichern und daraus kurzfristig bedarfsorientierten Strom generieren können.“ Damit kann die APG – basierend auf dem Angebot im Strom-Pool-Manager – über Regelenergiehändler die zur Verfügung gestellte Leistung der Biogasanlagen erhöhen oder reduzieren lassen. „Biogasanlagen sind Teil der Sekundärreserve und tragen maßgeblich zu Versorgungssicherheit und Stabilität unseres Netzes bei“, fasst Mandl zusammen.
„Biogasanlagen sind Teil der Sekundärreserve und tragen maßgeblich zu Versorgungssicherheit und Stabilität unseres Netzes bei.“
Josef Mandl, Verantwortlicher für Mechatronik und Steuerungstechnik, PBEG
Industrial Edge in Aktion
Für die Sammlung der Daten, beispielsweise die aktuelle Generatorleistung oder die potenziell erzeugbare Menge an Energie, sowie für die nachfolgende Darstellung im Strom-Pool-Manager sorgen die Industrial-Edge-Devices am Übergang von der IT- in die OT-Welt. In der entgegengesetzten Richtung – also vom Strom-Pool-Manager zu den Biogasanlagen – ermöglichen sie die Leistungsabsenkung oder -erhöhung der Blockheizkraftwerke, der technischen Einheiten der Biogasanlagen. Dieser bidirektionale Datenaustausch wird über die auf dem Industrial-Edge-Device laufende Applikation ermöglicht. Aufgrund der Standorte der Biogasanlagen in den unterschiedlichen Bundesländern und der damit verbundenen geographischen Distanzen sind die Remote-Access-Features, die Industrial-Edge-Technologie mit sich bringt, ebenfalls von großem Vorteil.
„Für die Anbindung einer Biogasanlage an den Strom-Pool-Manager müssen wir lediglich ein Industrial-Edge-Device vor Ort bei der Biogasanlage installieren lassen“, erklärt Josef Mandl, „Softwareaktualisierungen können wir anschließend über das Industrial-Edge-Managementsystem ausrollen, das alle angeschlossenen Industrial-Edge-Devices erkennt und Remote- Verbindungen zu den Devices aufbaut.“ Mit der Kombination aus Industrial-Edge-Technologie, Industrial-Edge-Managementsystem und dem Strom-Pool-Manager, so das Fazit, können Biogasanlagenbetreiber mit minimalem Hardwareeinsatz sowie ohne großen Aufwand oder technische Herausforderungen schnell und problemlos am Regelenergiemarkt teilnehmen.
Nach dem erfolgreichen Abschluss des Pilotprojekts sollen weitere Biogasanlagen über Industrial-Edge-Technologie mit dem Strom-Pool-Manager verbunden werden. Marc Fischer von der Siemens-Business-Unit Factory Automation freut sich bereits auf die erste planmäßige Erweiterung: „Unser Industrial-Edge-Angebot zeichnet sich durch breite Konnektivitätsmöglichkeiten in die Automatisierung sowie durch Datenverarbeitungs- und Management-Apps aus. Ein zentrales Management und App-Deployment sowie -Updating ist ebenfalls Teil der Industrial-Edge-Philosophie und ermöglicht Konfiguration und Aktualisierung aus der Ferne.“
Mit Bezug auf die Integration weiterer Biogasanlagen unterstreicht er: „Unsere Industrial-Edge-Technologie ist skalierbar und kann entsprechend dem Umfang angepasst werden. Über die bestehende Infrastruktur lassen sich zudem, je nach Bedarf, auch weitere Applikationen realisieren, beispielsweise eine Anomaly-Detection oder das Energiemonitoring.“ Josef Mandl schließt damit, dass Biogasanlagen mit dem Einsatz von Industrial-Edge-Technologie und der daraus ermöglichten Teilnahme am Regelenergiemarkt über den Strom-Pool-Manager von PBEG eine ganz neue Dimension in puncto Energiewende und Energiemix gewinnen.