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Dekarbonisierung: Die wichtigsten digitalen Helfer

Digitale Lösungen: Dekarbonisierung der Produktion und Gebäudetechnik

Digitale Transformation

12.04.2023

Lesezeit 8 Min

Wilma Mert

Energieeffizienz am Shopfloor ist kein einfaches Thema. Unzählige, schwer zu erfassende Parameter bilden dabei die eine große Herausforderung. Die Tatsache, dass nahezu jede industrielle Produktion auf Vorprodukte angewiesen ist, die andere. Wer den Carbon Footprint seiner Produkte konkret beziffern möchte, muss auch die Lieferkette mitberücksichtigen. Und natürlich findet Produktion nicht unter freiem Himmel statt, sondern in Werkshallen, womit auch in der Industrie die Frage nach klimafreundlichem Gebäudemanagement immer mehr an Bedeutung gewinnt. Mit den Mitteln, die die Digitalisierung heute bietet, lässt sich das in den Griff bekommen. Zwar wurde die Digitalisierung der industriellen Produktion ursprünglich vor allem unter dem Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit gesehen, inzwischen ist allerdings längst klar: Digitalisierung sei auch ein entscheidender Schlüssel, um die Klimaziele zu erreichen, wie Johannes Stinauer, Leiter Digital Enterprise Services bei Siemens Österreich, betont. Zugleich gilt: Je energieeffizienter Unternehmen werden, desto stärker können sie ihre Kosten senken – ein wichtiger Anreiz.

Wichtig: Daten aus der Lieferkette

„Die Grundlage für Optimierungen liefern Daten des Produktes, der Produktion sowie der Lieferkette, die zugänglich gemacht werden müssen. Die so gewonnene Transparenz ermöglicht, datenbasierte Entscheidungen zu treffen, um die gesamte Wertschöpfungskette zu optimieren“, erklärt Stinauer. Bei der Stölzle Glasgruppe ist ein auf diesem Prinzip aufgebautes System bereits im Einsatz. Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 seine CO2-Emissionen um 50 Prozent und den Energieverbrauch um 20 Prozent zu reduzieren. Der SIMATIC Energy Manager von Siemens und Sigreen, das ebenfalls von Siemens stammende Tool zur Emissionsüberwachung, dienen dabei als digitales Kernstück. „Einen der wichtigsten Aspekte, um Vorhaben dieser Art durchführen zu können, bildet ein sicherer Datenlayer zur Integration von Operational Technology (OT) und Information Technology (IT)“, weiß Stinauer. 

Portrait Johannes Stinauer© Siemens
(Copyright: Siemens)

„Einen der wichtigsten Aspekte bildet ein sicherer Datenlayer zur Integration von OT und IT.“

Johannes Stinauer, Leiter Digital Enterprise Services, Siemens Österreich

Denn erst ein solcher Layer macht es möglich, Daten aus dem Shopfloor zu normieren, zu speichern und zu verarbeiten. Die Weitergabe an übergeordnete IT-Systeme ist dabei über offene und standardisierte Schnittstellen geregelt. So wird es für die Nutzer möglich, Transparenz über den CO2-Verbrauch zu schaffen, eine datenbasierte Optimierung der Produktion zu erreichen und auch eine manipulationssichere Dokumentation der gesamten Lieferkette zu gewährleisten.

Nachvollziehbarer Carbon Footprint

Genau diese Punkte ermöglicht der bei der Stölzle Glasgruppe genutzte Simatic Energy Manager. Er macht den Energieverbrauch auf allen Ebenen vollständig nachvollziehbar – von allen Standorten über die Fabrik bis hin zur einzelnen Linie. Dadurch kann das Unternehmen Energie-KPIs auswerten, die Energiebilanz berechnen, alle Maßnahmen nachverfolgen und Ergebnisse berichten. Als ebenso wichtig erweist sich das Emissionsmanagement-Tool Sigreen. Es sammelt Daten dort, wo Emissionen tatsächlich entstehen, nämlich vor allem in der vorgelagerten Produktion. Mit Sigreen können Unternehmen Daten entlang der Lieferkette erheben, austauschen und mit Zahlen aus der eigenen Wertschöpfung kombinieren, um den wahren CO2-Fußabdruck eines Produkts zu erhalten.

Portrait Werner Schöfberger© Siemens
(Copyright: Siemens)

„Der Product Carbon Footprint bringt gezielte Reduktionsmaßnahmen mit quantifizierbarer Wirkung.“

Werner Schöfberger, Leiter Process Automation, Siemens Österreich

Kernpunkt Datensicherheit

„Der Product Carbon Footprint kann als Mess-und Steuerungsinstrument eingesetzt werden, um gezielte Reduktionsmaßnahmen mit quantifizierbarer Wirkung zu ergreifen“, erklärt Werner Schöfberger, Leiter Process Automation bei Siemens Österreich, die Bedeutung eines solchen Vorgehens. Und er ergänzt: „Die Transparenz der CO2-Emissionen ist essenziell, um herauszufinden, welche Faktoren den Energieverbrauch maßgeblich beeinflussen.“ Mit hochwertigen, validen Daten lassen sich auch die jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen viel besser belegen und einheitlich dokumentieren. Für ein hohes Maß an Datenschutz und die Vertrauenswürdigkeit der geteilten Information garantiert der Einsatz von kryptografischen Schlüsseln sowie das Hinzuziehen von unabhängigen Zertifizierern.

Portrait Weigl Markus© Siemens
(Copyright: Siemens)

„Die Gebäudeleittechnik ist ein zentraler Faktor für die Dekarbonisierung.“

Markus Weigl, Experte für energieeffiziente Gebäude bei Siemens Österreich

Gebäudeeffizienz durch intelligente Steuerung

Während Energieeffizienz am Shopfloor logischerweise in erster Linie die Industrie beschäftigt, trifft Gebäudeeffizienz de facto alle Wirtschafts-sparten und auch den Wohnbereich. Dass energieeffiziente und klimafreundliche Gebäude möglich sind, hat Siemens unter anderem in einem Projekt gezeigt, das im Hotel Schicklberg in der Nähe von Wels realisiert wurde. Jährlich werden dort rund 300 Tonnen CO2 eingespart. Die Grundlage dafür bildet ein dezentrales, auf erneuerbarer Energie basierendes System, das Energie durch kleinere Anlagen in Verbrauchernähe bereitstellt. Konkret sieht diese Infrastruktur wie folgt aus: Das Hotel ist mit Photovoltaikanlagen und einer Ladeinfrastruktur aus- gestattet, die aus acht VersiCharge-Wallboxen mit bis zu je 22 kW pro Ladestation besteht und mit allen Elektrofahrzeugen kompatibel ist. Ein Batteriespeicher mit einer Leistung von 200 kWh hält die Energie auch nachts und an Regentagen verfügbar. Für konstante Wärmeversorgung des Gebäudes sorgen 36 Tiefenbohrungen samt einem neuen effizienten Pumpensystem. 

Viele Einsparpotenziale

Das Herzstück des Systems bildet indessen eine zentrale, übergeordnete Leitstation, die in Verbindung mit der Regelungstechnik der Heizungs-, Lüftungs- und Klimasysteme im Gebäude steht. Die von Siemens implementierte Energiemanagement-Lösung erlaubt es dabei, den gesamten Energieverbrauch des Gebäudes zu messen und zu analysieren. Grundsätzlich kann die Lösung in praktisch allen Gebäuden eingesetzt werden, da sie für das Monitoring aller Art von Energieträgern ausgelegt ist, egal ob elektrischer Strom, Gas, Öl oder anderes. Die für das Monitoring notwendigen Messeinrichtungen sind in vielen Gebäuden bereits vorhanden, sodass das System meist ohne großen Zusatzaufwand errichtet werden kann. „Einmal installiert, sorgt es für Transparenz darüber, wo genau wie viel Energie verbraucht wird, wo Einsparpotenziale vorhanden sind und wo welche Investitionen erforderlich sind, um diese Potenziale zu heben“, bestätigt Markus Weigl, Experte für energieeffiziente Gebäude bei Siemens Österreich.

Basierend auf bereits bestehenden Komponenten, Zählern und Anlagen kann Siemens jedenfalls für Gebäudebetreiber eine Energieeffizienz-Lösung aufbauen, die beträchtliches finanzielles Einsparpotenzial schafft. Neben der für die Lösung nötigen Hardware selbst liefert Siemens je nach Anforderung auch die Analyseplattform inklusive der Auswertetools.

Ganzheitliches Energiemonitoring© Siemens
(Copyright: Siemens)

Dieser Text ist ursprünglich in „Das Österreichische Industriemagazin“ (April 2023) erschienen.