Digitale Lösungen für die echte Welt
Siemens Xcelerator – kein Produkt einer einzelnen Firma, sondern ein offenes Ökosystem. Der Fokus: Lösungen für die digitale Transformation. Gerhard...
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Siemens Xcelerator – kein Produkt einer einzelnen Firma, sondern ein offenes Ökosystem. Der Fokus: Lösungen für die digitale Transformation. Gerhard Kreß, der Leiter für Portfolio und Digitalisierung bei Siemens, erklärt im Interview Hintergründe und Zusammenhänge.
Studien zeigen, dass ein Großteil der Industrieunternehmen durch Digitalisierung deutlich schneller, effizienter und nachhaltiger werden könnte, diese Möglichkeiten aber nicht ausschöpft. Sind das die potenziellen Kunden, die Siemens Xcelerator erreichen will?
Ja, sind sie. Die meisten Unternehmen haben längst klar erkannt, dass sie handeln müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Sie tun sich aber schwer damit, Digitalisierungsprogramme auf- und umzusetzen. In den Firmen gibt es Maschinen und Systeme unterschiedlicher Hersteller, die teilweise auch schon Jahrzehnte alt sind. Da gibt es keine Digitalisierungs-Standardlösung, die für alle passt. Zudem können sich insbesondere kleinere Unternehmen oft keine große IT-Abteilung leisten, die die Abläufe digitalisiert oder zusätzliche IT-Systeme betreibt. Hier können wir mit Siemens Xcelerator in der Tat ein sehr attraktives Angebot machen und bei der digitalen Transformation unterstützen.
Digitale Transformation – der entscheidende Schlüsselbegriff für Siemens Xcelerator. Versuchen wir mal eine Definition: Mit digitaler Transformation ändern wir Geschäftsprozesse, indem wir Daten, die zur Verfügung stehen, optimal ausnutzen. Passt das?
Durchaus! Durch die technologische Entwicklung der vergangenen Jahre – ins besondere IoT – gibt es sehr viele Daten von betriebsführenden Systemen wie Maschinen, Sensoren, Tools usw. Mit diesen Daten können wir die Realität digital nachbilden. So entsteht ein Abbild in der digitalen Welt, an dem wir mit mathematischen Methoden weiterarbeiten können, zum Beispiel mit KI oder Simulation. Auf diese Weise gewinnen wir neues Wissen und Informationen, etwa wie eine Anlage effizienter betrieben werden kann oder wie Prozesse resilienter werden, was wir dann in der realen Welt nutzen können.
Bei der digitalen Transformation geht es also darum, die reale und die digitale Welt miteinander zu verknüpfen?
Letztendlich geht es uns und unseren Kunden um die echte Welt: Echte Produkte werden in echten Fabriken gefertigt. Echte Menschen wohnen in echten Häusern und nutzen echte Stromnetze. Lösungen, die wir anbieten, müssen in der echten Welt funktionieren, alles andere ist wertlos. Wenn ich Kunden Lösungen anbieten möchte, dann muss ich alle Besonderheiten und Regularien der Domäne genau verstehen. Das ändert sich auch durch die Digitalisierung nicht. Das Verknüpfen von realer und digitaler Welt ist viel mehr als ein Slogan, sondern wirklich der Kern unserer Arbeit. Wir sehen es als unsere große Stärke an, dass wir in unseren Domänen schon seit Jahrzehnten arbeiten und extrem viel Erfahrung haben. Bei unseren Kunden haben wir den Ruf, auch unter komplizierten Bedingungen verlässliche Partner zu sein und Qualitätslösungen anzubieten.
Überlegen wir uns ein kleines Fallbeispiel: Ich verantworte eine kleine Fabrik und habe jetzt auf dem Siemens Xcelerator Marketplace ein Angebot für „Smart Maintenance“ gelesen, das ich sehr interessant finde. Wie könnte es weitergehen? Einfach ein Programm herunterladen – so einfach wird es wohl nicht sein, oder?
Natürlich nicht! Der Marketplace ist kein App-Store. Die Kundenanforderungen sind zu vielfältig, als dass man sie mit Standard-Apps erfüllen könnte. Als potenzieller Kunde würdest du dich im Marketplace informieren, welche Lösungen Siemens und das Ecosystem bereithalten. Eventuell würdest du auch ein Assessment deiner digitalen Startposition durchlaufen. Und du würdest auch schauen, was andere Kunden in dieser Richtung schon an Erfahrungen gesammelt haben. Danach würdest du mit unserem Vertrieb besprechen, was du genau brauchst. Ob ein Hardware/Software-Kit, das in deiner Fabrik installiert wird, oder eine Cloud-Lösung. Oder ob wir als Dienstleistung – as a service – anbieten, zunächst ein digitales Abbild deiner Anlage zu erstellen. Oftmals werden allein durch diese Maßnahme schon einfach umzusetzende, aber sehr effektive Verbesserungsmöglichkeiten gefunden.
Meine Fabrik verwendet aber keine Hardware oder Software von Siemens. Ist das ein Problem?
Das proprietäre Zeitalter ist vorbei. Als wir Siemens Xcelerator entworfen haben, war es von Anfang an klar, dass wir eine modulare Lösung mit offenen Schnittstellen brauchen. Und natürlich haben wir Kunden, die auch Systeme der Wettbewerber verwenden. Für gängige Systeme bieten wir bereits Standardschnittstellen an. Für alle anderen stellen wir Programmierumgebungen zur Verfügung, mit denen die Kunden selbst oder beauftragte Partner die Schnittstellen zwischen den Systemen schaffen können. Unsere Designprinzipien stellen sicher, dass wir maximal flexibel werden.
Die Designprinzipien, also: interoperabel, offen, flexibel und as a service – das klingt nicht Siemens-Xcelerator-spezifsch, sondern nach Grundfesten moderner Softwarearchitektur.
Sind sie auch. Moderne Architekturen – nennen wir sie IoT-Architekturen – sind ja davon geprägt, dass Komponenten unterschiedlicher Hersteller miteinander kommunizieren, dass Dienste in Clouds ausgelagert werden, dass Edge und Cloud zusammenarbeiten usw. In diesem Umfeld bewegt sich Siemens Xcelerator. Wir bieten unseren Kunden keine Technikplattform, sondern Funktionalitäten, die angepasst und kombiniert werden können. Funktionalitäten, die in einer IoT-Architektur laufen und Geschäftsprobleme lösen. Die Designprinzipien machen das möglich.
Siemens Xcelerator wurde im vergangenen Jahr gestartet. Seitdem wächst die Plattform kontinuierlich weiter. Wo liegen die größten Herausforderungen?
Siemens insgesamt hat ein weitgefächertes Portfolio unterschiedlicher Digitalisierungslösungen in allen unseren Domänen. Vieles davon ist bereits auf dem Siemens Xcelerator Marketplace sichtbar, etwa Building X für Gebäude. Das X im Namen zeigt übrigens, dass die Designprinzipien erfüllt sind. Wir arbeiten kontinuierlich daran, neue X-Bausteine zur Verfügung zu stellen. Eine große Herausforderung ist die Definition standardisierter Schnittstellen, um die Interoperabilität zu verbessern. Auch Lösungen, die in unterschiedlichen Siemens-Geschäftsbereichen entwickelt werden, müssen noch besser miteinander kompatibel werden. Eine Fabrik könnte etwa die Abwärme der Maschinen besser zum Heizen nützen, wenn Produktions- und Gebäudesteuerung optimal zusammenarbeiten. Hier arbeiten wir mit allen Geschäftsbereichen zusammen. Und dann gibt es zum Teil auch noch ältere Softwareelemente, die immer noch in den Anlagen im Feld aktiv sind und die wir noch modernisieren müssen, bevor sie zum Beispiel in einer Cloud laufen können. Eine weitere Eigenschaft hat die neue Business-Plattform: Mit Siemens Xcelerator wenden wir uns nicht nur an Kunden, sondern auch ganz explizit an andere Firmen und laden sie ein, Partner zu werden. Sie können unsere Bausteine und Schnittstellen nützen, um ihrerseits neue Lösungen auf dem Marketplace anzubieten. Unser Ziel ist ein industrielles Ökosystem, von dem alle Partner profitieren. Das Angebot von Siemens Xcelerator wird mit der Zeit immer größer und unsere Partner können sowohl von den schon vorhandenen Softwareelementen als auch von unserem Kundenstamm profitieren.
„Das Verknüpfen von realer und digitaler Welt ist viel mehr als ein Slogan, sondern wirklich der Kern unserer Arbeit.“
Gerhard Kreß, Leiter für Portfolio und Digitalisierung bei Siemens
Ist das nicht sehr risikoreich, insbesondere hinsichtlich Cybersicherheit? Schließlich können wir nicht sicherstellen, dass die Partner die nötigen Standards einhalten.
Wir kontrollieren durchaus, wer mit welchem Inhalt auf dem Marketplace anbietet. Nicht jeder kann unser Partner werden. Potenzielle Partner wenden sich mit ihrem Angebot an unsere Partnermanager. Diese überprüfen, ob die relevanten Gesetze eingehalten, also zum Beispiel keine Patente verletzt werden. Und sie stellen sicher, dass alle Angebote im Marketplace unseren strategischen, operativen und technischen Anforderungen entsprechen. Cyberrisiken minimieren wir, indem wir in unseren Komponenten sogenannte resiliente Architekturen verwenden. In solchen Architekturen gehen wir immer davon aus, dass Partnersoftware Fehler enthalten kann. Wir planen daher von Anfang an mit, wie sich die Auswirkung solcher Fehler begrenzen lässt. Darüber hinaus bieten wir unseren Partnern Security Services und Tools in unseren Entwicklungsumgebungen an.
Springen wir gedanklich ein paar Jahre: Wofür soll Siemens Xcelerator in Zukunft stehen?
Gemeinsam mit unseren Partnern sollen wir als die perfekte Adresse wahrgenommen werden, um Businessprobleme in der industriellen Welt zu lösen und die digitale Transformation weiterzutreiben und auch zu beschleunigen. Der Marketplace soll der „Da-finde-ich-alles-Ort“ werden, für Informationen, Entscheidungshilfen, Lösungen und Austausch mit Expertinnen und Experten rund um die Digitalisierung der industriellen Welt.