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Agile und datensichere Fertigung in der smartfactory @tugraz

Digitalisierungs-Showcases der Pilotfabrik an der TU Graz

Digitale Transformation

23.08.2021

Lesezeit 7 Min

Alina Bogg

Die industrielle Produktion wird in Zukunft schneller, flexibler, individueller, kostengünstiger, sicherer, energiesparender und umweltfreundlich sein – und dies bei gleichbleibender Qualität. Damit das gelingt, müssen Produktionssysteme verstärkt digitalisiert und vernetzt werden. Unternehmen benötigen dafür neue Methoden und Verfahren, die sie außerhalb des regulären Betriebs entwickeln und testen müssen. Genau hier setzt die Idee der Pilotfabriken an. Vom damals zuständigen Bundesministerium wurde daher die Schaffung von drei sogenannten Pilotfabriken für Österreich angetrieben und mitfinanziert: Jede dieser drei Universitäten stellte Räumlichkeiten und Mitarbeiterinnen sowie Mitarbeiter zur Verfügung und konnte mit jeweils ca. 20-25 Industriepartnern so ihre Pilotfabrik aufbauen: die Pilotfabrik Industrie 4.0 der TU Wien in der Seestadt Aspern, die smartfactory@tugraz an der TU Graz und die LIT-Factory an der Johannes Kepler Universität Linz. Siemens ist als einziges Industrieunternehmen an allen drei Pilotfabriken beteiligt.

smartfactory@tugraz: Fokus auf agile und datensichere Fertigung

Im April 2021 ist die smartfactory@tugraz an der TU Graz in den Vollbetrieb gegangen. Sie fokussiert sich auf agile und datensichere Fertigung. Siemens hat sich besonders intensiv bei der Umsetzung folgender Showcases engagiert:

Late Customer Intervention

Wenn Kunden im letzten Moment nach einer Änderung des zu fertigenden Werkstücks verlangen, gelingt das nur mit einer konsequenten Datendurchgängigkeit. Damit bleibt gewährleistet, dass Umplanungen und Umprogrammierungen an den Maschinen trotzdem den Liefertermin nicht gefährden, weil dies über diese Datendurchgängigkeit schnell und ohne manuelle Übertragungsfehler funktioniert. So müssen Daten nicht mehr händisch übertragen werden und eigentlich weiß der Maschinenbediener gar nicht, dass der zu ihm übermittelte Auftrag vor 5 Minuten noch anders ausgesehen hat.

Werkzeugbruch rechtzeitig erkennen

Eine Werkzeugmaschine wird mit der SINUMERIK-Steuerung von Siemens angesteuert, die so gut wie alles über die Werkzeugmaschine „weiß“. Im 2-Millisekunden-Takt (das ist 50 x schneller als mit herkömmlichen modernen Datenprotokollen) können via Edge-Computing zum Beispiel die Stromaufnahmedaten aus der Maschine ausgelesen werden. Mit Methoden der künstlichen Intelligenz kann erkannt werden, wenn die Maschine plötzlich ein ungewöhnliches Stromverbrauchsmuster aufweist, das kurz darauf zu einem Werkzeugbruch führt. So kann über diverse Automatismen noch rechtzeitig ein größerer Schaden vermieden werden.

Agile Sicherheit

In der smartfactory@tugraz sind die Arbeitsstationen mobil und können damit für die Montage eines neuartigen Produkts einfach neu angeordnet werden. Aber was nützt all die Flexibilität, wenn nach jeder kleinsten Änderung wieder der TÜV kommen muss, um ein neues Sicherheitszertifikat auszustellen? An der smartfactory@tugraz wird gezeigt, wie künftige Sicherheitskonzepte aussehen können: Eine zentrale Rolle spielt dabei das Siemens Real Time Location System (RTLS) – kleine Ortungssensoren, die auf den mobilen Arbeitsstationen befestigt werden. In Kombination mit den in der Fabrik montierten Antennen kann damit jede mobile Arbeitsstation genau verortet werden. Mittels spezieller Software kann eine Sicherheitsprüfung vorbereitet und in Zukunft vielleicht sogar tatsächlich durchgeführt werden.

Datendurchgängigkeit im Goldene Dreieck

In einer Fabrik gibt es nicht nur Steuerungen, Roboter und Maschinen auf der Produktionsebene, sondern auch die für das Geschäft erforderlichen IT-Systeme. Das Product Lifecycle Management (PLM) System ist für alle Konstruktions- und Planungsdaten verantwortlich – für alles, was die Ingenieure machen. Das Enterprise Resource Planning (ERP) System beinhaltet alle Kunden- und auftragsbezogenen Daten. Das Manufacturing Execution (MES) System verantwortet dann die Detailplanung und gibt die Befehle an die Maschinensteuerungen, ist also die Verbindung zur eigentlichen Produktion.

In vielen Firmen liegen die drei Systeme leider noch getrennt vor, weil sie von verschiedenen Herstellern kommen und so werden auch gleiche Daten jeweils händisch und separat angelegt und gepflegt. In der Pilotfabrik sind diese Daten nun über einen sogenannten „Enterprise Service Bus“ miteinander verbunden und die besagten Daten müssen in nur einem dieser Systeme angelegt werden. Die dem zugrunde liegenden Prozesse – was, wie und in welchem der drei Systeme gemacht wird sowie welche Daten wann, wie und warum übergeben werden – sind ein Wissen, das einen großen Wettbewerbsvorteil ermöglicht: Flexibilität, Time-to-Market, Qualität, IT-Security und das Potenzial für neue Geschäftsmodelle.

Dieser Showcase dient als Beweis der erfolgreichen Umsetzung: In einem Konfigurator kann der Kunde das Produkt – in diesem Fall ein sogenanntes Wellgetriebe – konfigurieren. Der Auftrag wird im ERP-System (ProAlpha) erfasst, die Konstruktions- und Fertigungsplanungsdaten werden vom PLM (Siemens) an das ERP übergeben. Das ERP organisiert die Teilaufträge, die für die Herstellung erforderlich sind und übermittelt diese mittels Enterprise Service Bus (T-Systems) an das MES (SoliDat). Das MES plant die Reihenfolge auf Maschinen und die Arbeitskraft ein und veranlasst die eigentliche Produktion und die Montage.

Weitere Showcases

In der smartfactory@tugraz ist auch zu sehen, wie Roboter unterschiedlicher Hersteller einheitlich über das Siemens TIA-Portal (TIA – Totally Integrated Automation) programmiert werden und wie die virtuelle Inbetriebnahme einer Roboterzelle, die auch Safety-Aspekte berücksichtigt, erfolgt. Das Zusammenwirken mit den anderen beiden Pilotfabriken in Wien und Linz als eine große Fabrik ist derzeit in Arbeit. Ebenso wird in der Pilotfabrik an der TU Graz die Siemens MindSphere-App „Asset Operation Analytics“ (AOA) demonstriert, die als Analyse-Werkzeug das SW-Produkt „Time Fuse“ vom KnowCenter in Graz integriert: Hierbei geht es um das Auffinden ähnlicher Signale aus vorhergegangenen Vorgängen, was eine Fehlerursachen-Analyse sehr vereinfacht und beschleunigt. Auch zu sehen sind Forschungs-Showcases wie das automatisierte Bespielen der Machine Resource Library, wo die verfügbaren Werkzeuge in einer Datenbank abgelegt werden, oder auch die Aktivitäten zum Closed-Loop-Manufacturing (verlinken mit https://hitech.at/industrie/perfekt-beim-ersten-mal) – also das kontinuierliche Lernen aus Daten des Produktionsprozesses.

Mehr Info auf siemens.at/pilotfabriken



Über den Autor

Alina Bogg
Redakteurin Digital Industries